Starnberg:Wo die jüngsten Finanzbeamten die Reichsten der Republik kontrollieren

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Daniela Ötvös leitet das Finanzamt in Starnberg und lädt regelmäßig zum Dialog. (Foto: Georgine Treybal)

Das Finanzamt in Starnberg hat mit 37 Jahren den jüngsten Altersschnitt in Bayern. Darum kommt es zu Konflikten mit Bürgern und ihren Steuerberatern. Die Behörde wirbt um Verständnis.

Von Michael Berzl, Starnberg

Wenn sich Steuerzahler über das Finanzamt in Starnberg ärgern, kann das an einer Besonderheit der Behörde im Schloss hoch über der Stadt liegen. Nirgendwo sonst in Bayern sind die Sachbearbeiter so jung und unerfahren. Das räumte die Amtsleiterin Daniela Ötvös bei einem Treffen mit Steuerberatern ein. "Die sind jung, frisch geschult, aber wenig praxiserfahren", sagte sie bei dem sogenannten Klimagespräch, das dazu dienen soll, das Verhältnis zwischen Behörde und Beratern zu verbessern. Der Altersdurchschnitt in ihrer Behörde liege bei 37 Jahren und damit weit unter dem Landesdurchschnitt.

Dass Starnberg das "jüngste Finanzamt Bayerns" hat, liegt an der Ausbildungssituation in der Branche und an der großen Konkurrenz durch Münchner Firmen. Die Mitarbeiter, die Ausgaben nachrechnen, Belege anfordern und einzelne Posten manchmal ganz genau erklärt haben wollen, sind oft nicht lange in Starnberg. Sie werden zum Beispiel aus Franken oder der Oberpfalz nach ihrer Ausbildung zum ersten Arbeitseinsatz hierher versetzt - schlicht aus dem Grund, weil es der Finanzbehörde im Münchner Speckgürtel sonst nicht gelingen würde, genügend Personal zu finden. Bei einem großen Unternehmen in der Landeshauptstadt zu arbeiten, ist einfach attraktiver. Die Steuersekretärinnen und Diplom-Finanzwirte aus dem Norden des Freistaats, die sich für eine Beamtenlaufbahn entschieden haben, versuchen jedoch, ihren Aufenthalt in einer teuren Gegend wie dem Fünfseenland möglichst kurz zu halten. Meist kehren sie nach ein paar Jahren in ihre Heimat zurück, die Fluktuation ist also groß.

Und dann haben sie es hier mit einer ganz besonderen Klientel zu tun. Der Landkreis Starnberg ist das bevorzugte Domizil der ganz Reichen im Freistaat. Dort wurde nach Angaben des Landesamts für Statistik im Jahr 2014 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - mit 16,6 Millionären je 10 000 Einwohnern die höchste Dichte verzeichnet. Das wirkt sich aus. Ötvös drückt das so aus: "Die Art der Einkünfte ist in Starnberg schon eine Herausforderungen. Hier gibt es andere Fälle, anders strukturierte Steuerzahler als zum Beispiel in Hof". Es gebe mehr internationale Einkünfte, mehr Beteiligungen und mehr Einnahmen aus Vermietungen. Und es geht oft um ganz andere Summen in einer prosperierenden Region wie Starnberg oder auch Fürstenfeldbruck. Auch der Anteil derer, die sich beraten lassen ist besonders hoch.

Das Verhältnis zwischen den Steuerberatern und dem Finanzamt ist dabei ohnehin eher das natürlicher Feinde, in dem jeder sich als Beute betrachte, wie Ötvös einräumt. Um dieses angespannte Verhältnis zu verbessern und das Verständnis füreinander zu fördern, hatte sie zum dritten Mal zu dem Klimagespräch in der Schlossberghalle eingeladen. "Wir sind doch alle Opfer der Steuergesetze. Sie leiden doch auch darunter, Sie haben die gleichen Probleme wie wir", sagte sie zu den etwa 50 Steuerberatern, die zu dem Gedankenaustausch gekommen waren.

Dem könnte Raimund Mader, der Vizepräsident der Steuerberaterkammer in München, wohl zustimmen. Er sprach von "Überbürokratisierung und Überregulierung". Die Kanzleien würden überfahren von den ständigen Neuerungen. Im Detail wurden einige Reibungspunkte angesprochen. Da ging es um Unterlagen, die auf dem Weg zum Einscannen in Wunsiedel und zurück verloren gehen, um Nachfragen zu weit zurückliegenden Abschreibungen aus dem Jahr 1995 oder um verweigerte Fristverlängerungen. Den Vorwurf, dass in Starnberg die Bearbeitung von Steuererklärungen besonders lange dauere, wies Ötvös zurück. Aber auch selbstkritische Töne waren zu hören. "Wir schreiben Sie manchmal so an, dass für Sie nicht ganz klar ist, was wir eigentlich wollen", sagte ein Sachgebietsleiter zu den Steuerberatern. Er kündigte an: "Wir arbeiten daran".

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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