Starnberg:Wettstreit an den Stämmen

Lesezeit: 3 min

Wer schafft es, den Maibaum am schnellsten aufzurichten? In Frieding, Machtlfing und Unering mühen sich Landjugend und Burschenvereine zum Teil mit bloßer Hand. In Starnberg ist die Angelegenheit indes nach zwanzig Minuten erledigt.

Von Astrid Becker

Die Sonne lugt an diesem Vormittag nur hin und wieder durch die dicke Wolkendecke am Himmel über dem Landkreis. Aber immerhin regnet es nicht. Und das ist gerade an einem 1. Mai wichtig. Denn sonst würde die Sache mit dem Maibaumaufstellen ganz schön gefährlich werden. Vor allem in Steinebach, wo sie heuer mit etwa 42 Metern den längsten Baum im Kreis aufgerichtet haben. Mit der Hand, versteht sich. In vielen Gemeinden im Fünfseenland wird dieser Brauch noch gepflegt. Doch mehr und mehr werden auch Seile als Hilfsmittel eingesetzt. Oder gar Kräne, wie in der Kreisstadt.

Mit letzteren dauert es nicht lange, bis so ein Baum fest verankert an seinem Bestimmungsort steht. Etwa zwanzig Minuten. Mehr nicht. So geschehen in Starnberg. Polizei und Feuerwehr sperren bereits am frühen Morgen die Hauptstraße, damit der Baum sicher durch einen Mobilkran hochgehievt werden kann. Kaum steht der Baum, muss die Feuerwehr nur noch das Seil des Krans mit der Drehleiter aushängen und ein paar fehlende Schilder befestigen. Alles in allem ist der ganze Zauber bis zehn Uhr beendet, und der Heimat- und Volkstrachtenverein, der ihn initiierte, beginnt damit, die Biertische und Bänke rund um den Baum für die Maifeier am Nachmittag aufzubauen. Der Starnberger Maibaum ist also der erste, der an diesem 1. Mai steht. Aber nur der erste an diesem Tag. Denn die Orte Auing, Wangen und Bachhauser Wies haben ihre neuen Maibäume bereits am Wochenende aufgestellt. Der in Auing dürfte dabei wie immer einzigartig in der Region sein: Bei ihm handelt es sich der Tradition nach um einen Naturmaibaum, der jedes Jahr erneuert wird.

1 / 2
(Foto: Arlet Ulfers)

In Frieding sind die Burschen zwar schnell, aber nicht die ersten, die ihren Baum aufrichten.

2 / 2
(Foto: Arlet Ulfers)

Diesen Erfolg kann Starnberg für sich verbuchen, was eine Gruppe junger Männer fotografisch festhält.

Für alle anderen gelten andere Zeitrechnungen: Im Durchschnitt wird in den Gemeinden und ihren Ortsteilen der Maibaum etwa alle vier Jahre neu aufgerichtet. Das hat vor allem mit den Prüfungen durch Holz-Sachverständige zu tun, die mittlerweile obligatorisch für Maibäume sind. So müssen die Maibäume regelmäßig auf ihre Standfestigkeit überprüft werden. Nach zwei Jahren darf dies ein Holzfachkundiger erledigen, ein ausgebildeter Zimmerer etwa. Nach drei Jahren hingegen nur mehr ein Sachverständiger, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Maximal fünf Jahre darf, entsprechenden Gerichtsurteilen zufolge, ein Maibaum noch stehen bleiben, dann muss er weg.

Mindestens fünf Jahre blieben daher früher auch im Landkreis Starnberg Maibäume erhalten, bis sie durch neue ersetzt wurden. Mittlerweile seien es maximal vier Jahre, um sich die Kosten für den "Maibaum-TÜV" zu sparen, erzählen beispielsweise Andreas Pain und Martin Sontheim in Machtlfing. Sie engagieren sich noch heute für den Burschenverein in dem Andechser Ortsteil, obwohl sie nur mehr passive Mitglieder sind. "Nach meiner Heirat war die aktive Phase vorbei, da fällt man ja ohnehin raus", sagt beispielsweise Andreas Pain. Trotzdem hat gerade er an diesem Tag ein wichtige und ehrenvolle Aufgabe: Den Baum noch vor neun Uhr morgens mit einem historischen Schlepper zu seinem Standort mitten im Ort am alten Schulhaus, gegenüber der Gastwirtschaft Höfler, zu ziehen: "Der Baum wird dabei vorne gezogen und hinten von den Burschen geführt", erzählt er. Begleitet wird das Ganze von einem Trommelzug, was recht feierlich und traditionell wirkt. Drei bis vier Stunden brauchen die Burschen in Machtlfing, bis ihr Baum steht. Kein Wunder: Sie verzichten hier auf jedwede Hilfsmittel - was ihnen in einem anderen Ortsteil von Andechs, in Frieding, nicht ganz ernst zu nehmenden Spott einbringt: "Die Machtlfinger waren schon immer langsamer als wir", ist dort zu hören.

1 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

Die Machtlfinger geleiten ihren Baum mit Trommelwirbel in ihren Ort.

2 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

Die Prozession findet in diesem Jahr zum ersten Mal statt.

3 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

Zum letzten Mal hingegen ist Richard Dellinger als Feuerwehrkommandant in Frieding beim Maibaumaufstellen dabei.

4 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

In Unering hilft der Ex-Kommandant (vorne links) beim Aufstellen mit.

5 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

Auch die Hechendorfer begleiten das Maibaumaufstellen mit einer Zeremonie. Pfarrer Roland Böckler segnet den Baum.

6 / 7
(Foto: Arlet Ulfers)

In Steinebach am Wörthsee versammelt sich eine Menge Schaulustiger um die Maibaumaufsteller.

7 / 7
(Foto: Georgine Treybal)

Schon am Sonntag haben die Auinger ihren ganz naturbelassenen Baum aufgerichtet.

Ausgesprochen hat diesen Satz übrigens ein Erlinger, Christian Pfänder. Er ist hier, um die Landjugend Frieding beim Aufstellen zu unterstützen, trotz einer Verletzung an der Schulter. "Ehrensache" nennt er das. "Wir helfen alle immer zusammen. In Machtlfing sind auch ein paar Erlinger dabei", sagt er. Tatsächlich haben die Friedinger ihren Baum von etwa zehn Uhr an aufgerichtet, allerdings gesichert mit einem Seil, das später, wenn der Baum schon ziemlich weit in die Höhe ragt, ein bisschen beim Aufrichten hilft. Eine Stunde später sind sie schon ziemlich weit, während in Machtlfing noch schwer geschuftet wird. Noch schneller sind allerdings die Uneringer, die sich ebenfalls mit einem Seil behelfen. "Wir brauchen immer etwa eine gute Stunde" ist dort zu hören. Tatsächlich: Um kurz vor elf Uhr hat hier das Aufrichten begonnen. Punkt zwölf Uhr ertönt ein Tusch: Der Maibaum steht. Das Kommando hat dort bereits zum zweiten Mal Martin Reindl übernommen, der seinen kleinen Sohn mit dabei hat: "Der wird mal hier mein Nachfolger", sagt er stolz.

Wieder mit dabei ist aber auch Richard Dellinger. Für ihn ist dieser 1. Mai ein ganz besonderer: Es ist sein letzter Tag als Kommandant der Uneringer Feuerwehr. Sein Nachfolger sei Andi Gamperl, dessen Stellvertreter Martin Dierbach, der Oberbursch aus Unering. "Wissen Sie, bei uns übernehmen alle wichtigen Leute wichtige Aufgaben". Also alle. Denn das ist es, worum es bei diesem Brauch geht. Um Gemeinschaftsgefühl. "Wir haben diesen Baum erstellt, damit das Dorf zusammen hält" ist auf einem Schild zu lesen. Zwar nicht in Unering, dafür aber in Auing.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: