Kabarett:Viel Spaß mit Königin John

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Die Alleinherrschaft der Bürgermeisterin bietet ideale Vorlagen für das neue Programm der Kolping-Gruppe Kasbrettl

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Jeder kennt wohl die Szene in "Dinner für One": Butler James torkelt mit dem Tablett in der Hand schwungvoll von einem leeren Stuhl zum nächsten, um als fiktiver Freund der Gastgeberin Miss Sophie zuzuprosten. Der 1963 erstmals ausgestrahlte Sketch begeistert heute noch Millionen Zuschauer. In dem vom Starnberger Kasbrettl abgewandelten Sketch "Dinner for John" stolpert Bernd Gawinski wie sein Vorbild Freddie Frinton als zunehmend alkoholisierter Josef Pfister mit einem Sektglas in der Hand über ein Biertragerl und tut sein Bestes, um das Gleichgewicht zu halten. Der Ort des Geschehens ist eine Stadtratssitzung in Starnberg, die von Bürgermeisterin Eva John (dargestellt von Manfred Stark mit Perücke und locker gebundenem Halstuch) geleitet wird. In Vertretung der Stadträte Gerd Weger, Otto Gaßner, Martina Neubauer und Günther Picker, die als imaginäre Gäste geladen sind, prostet Butler Josef abwechselnd seiner Evi zu, und das Publikum tobt.

Jedes Jahr lässt das Kasbrettl unter der Regie von Bühnenchef Thomas Beigel das politische Jahr in Starnberg kabarettistisch Revue passieren. Wer dachte, dass in der Kreisstadt nichts Nennenswertes geschehen ist, weil es keinen Stadtrat gab, der wird von der Kabarettgruppe der Kolpingfamilie Starnberg eines Besseren belehrt. Denn es passiert nie nichts in Starnberg. Nirgends seienk die Politiker zerstrittener und die Wahlabstände kürzer, als in der schönen Kreisstadt, spotten die Kolping-Kabarettisten nirgends seien die Bürger unverwechselbarer und einzigartiger. Ihr wichtigstes Charaktermerkmal sei das Oppositionelle. Kaum ist ein Bürger zugezogen, schon sei er dagegen.

Bei der Premiere des neuen Programms "Preisverdächtig" am Donnerstag im ausverkauften Pfarrzentrum lösten die 15 Kasbrettler mit einer Kombination aus treffsicheren Attacken und schauspielerischen Können wahre Begeisterungsstürme aus. Ab und zu wurde ein Blick über den Tellerrand geworfen und der Eisenbahnerstreik, die Fußballweltmeisterschaft in Katar, Korruption oder die Frauenquote bei Aufsichtsratsposten auf die Schippe genommen. Doch der tägliche Wahnsinn in "der peinlichsten Stadt in ganz Bayern" und die Extravaganz ihrer typischen Bürger (zuagroast, beteiligt sich nicht am öffentlichen Leben und fährt SUV) wurde so perfekt in Szene gesetzt, dass das Ensemble den Vergleich mit den Profikabarettisten kaum mehr zu scheuen braucht.

Die Hobby-Kabarettisten legen den Daumen in die Wunden der Stadt. Da wird über den Maxhofkreisel gelästert, an dem es ständig kracht, über den Tutzinger-Hof-Platz und den Dauerstau oder die vielen Gruppierungen im Stadtrat. Die einzige Stadt, in der das Chaos größer sei als in Athen brauche endlich eine Partei, die einen fairen Wahlkampf macht und einen Imageberater (köstlich der Auftritt von Uwe Grimm als Howard Carpendale). Dazwischen wird ein Preis an den Stadtrat vergeben, weil er sich um den "permanent gelebten Ort des Unfriedens" verdient gemacht habe.

Besonders die Alleinherrschaft von Bürgermeisterin John hat es den Kabarettisten angetan. Endlich gebe es wieder ein Königreich in Bayern: Starnberg und Königin Eva. Ganz alleine dürfe sie walten, kein Stadtrat, keine Rechtsaufsicht, keine Fragen. Sogar die Abstimmungen fallen einstimmig aus, wenn auch knapp. In Anspielung an Johns Rauswurf aus der CSU dichten die sechs Sketche-Schreiber: Früher hat es einmal die Christlich Soziale Union gegeben. Heute gibt es die Christlich Sozialen und die John. "Ich will hier nicht mehr weg, alles ist perfekt", urteilt Königin Eva, und die echte Eva John im Publikum kann ebenso herzhaft darüber lachen wie Landrat Karl Roth.

Für die zehn Aufführungen bis zum 16. Mai liegen schon 2000 Kartenreservierungen vor, Restkarten gibt es noch an der Abendkasse. Die nächste Vorstellung ist an diesem Samstag zu sehen, weitere Termine sind am 8., 9. und 10. Mai sowie Mittwoch bis Samstag, 13. bis 16. Mai. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Der Eintritt kostet zehn Euro. Der Erlös geht an den Missionsbenediktiner Pater Florian, der in Kenia eine mobile Schule für Nomadenkinder aufbauen will.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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