Starnberg:Überraschungssieger

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Beim Fest in der voll besetzten Schlossberghalle gibt es unerwartete Triumphe. "Der Nobelpreisträger" schlägt "Maudie", und der große Filmpreis geht an "Die Einsiedler".

Von Blanche Mamer, Starnberg

Wie aus einem Melodram der 40-er Jahre entstiegen, betritt Mareike Oeffinger die Bühne der Schlossberghalle. Die Moderatorin der Abschlussfeier des Fünfseen-Filmfestivals trägt ein langes schwarzes Etui-Kleid mit klassischem Decolleté und halblangen Ärmeln aus Spitze. Souverän begrüßt sie das Publikum, das voller Erwartung zum Festivalabschluss gekommen ist. Und mit tosendem Applaus und Bravo-Rufen den Festivalchef Matthias Helwig empfängt. "Ich bin stolz auf das, was wir gemacht haben", sagt er und bedankt sich bei seinem Team. In den vergangenen Tage habe man überlegt, dass man das Festival noch besser machen wolle und darum etwas verändern müsse. Der jetzige Sommertermin sei "Hochrisikobereich", darum soll das Festival ans Ende der Sommerferien verlegt werden, eine Entscheidung, die später beim Fest im Foyer von den Filmfans heiß diskutiert werden wird. Denn mit schulpflichtigen Kindern pflegt man in Bayern erst nach Ferragosto in den Süden zu fahren, wenn die Strände leerer, die Flüge und Hotels billiger sind.

Und schon ist die Reihe an SZ-Redakteur Gerhard Summer, der den Publikumspreis überreicht. Aus einer großen blauen Truhe zieht er die Gewinnerin der Jahreskarte. Der bestbesuchte Film war "Maudie" erzählt Helwig, er wurde sehr gut bewertet, ist aber nicht der Sieger. Das ist "Der Nobelpreisträger", eine spanisch-argentinische Koproduktion von Mariano Cohn und Gastón Duprat. Es ist der Verleiher, Daniel O. Dochartaigh von Ciné Global, der den Preis entgegennimmt und sich sichtlich darüber freut. "Ich bin megastolz. Ich verleihe spanische und südamerikanische Filme und bin sehr froh für die Unterstützung." Das Festival werde in der Branche immer wichtiger, sagt er. Das Signet FSFF-Publikumspreis ist gut für den Film und für Helwig.

Zeit für die Jurys, ihre Preise zu vergeben. Zuerst der Horizonte-Filmpreis, der an den Südtiroler Filmemacher Andreas Pichler und seine Doku "Das System Milch" geht. Der Film beleuchtet überzeugend, wer in der mittlerweile milliardenschweren Industrie profitiert. Die Geschichte von "Untitled", dem besten Dokumentarfilm, ist doppelt interessant. Zu Tränen gerührt nimmt Monica Willi den Preis entgegen. Zwei Jahre nach dem Tod des österreichische Filmemachers Michael Glawogger hat sie aus seinen Reisetagebuchtexten und dem gedrehten Material den Film gestaltet, der von den Erlebnissen und Entdeckungen auf der viereinhalbmonatigen Reise über den Balkan, Italien, Nord- und Westafrika erzählt.

Probleme mit dem Ton machen es dem Publikum leider unmöglich, die Filmtrailer zu genießen. Bessere Akustik hätte man sich auch bei der Einspielung zum Preis "Perspektive Junges Kino" gewünscht. Gewinnerin ist die junge Regisseurin Sandra Wollner mit "Das unmögliche Bild". Der Film handelt von der 13-jährigen Johanna, die im Wien der 50er-Jahre ihre Kindheit und die Umgebung auf 8mm-Film festhält und sich Gedanken macht über Realität, Erinnerung und Fiktion.

Und schließlich der Filmpreis, er geht an "Die Einsiedler" von Ronny Trocker und erzählt die Geschichte eines Einödhofes hoch in den Bergen über Meran. "Ich konnte es zuerst nicht glauben, dass die alte Frau, die die Bäuerin spielt, eine Schauspielerin ist. Ingrid Burkhard ist so authentisch, von archaischer Kraft wie ein Fels", sagt Jurymitglied, Schauspielerin Michaela May. Der unbequeme, düstere Film kommt im November ins Kino.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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