Amtsgericht Starnberg:Abzock-Ausflug ins Fünfseenland

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Ein Kfz-Meister wehrte sich vor dem Starnberger Amtsgericht gegen einen Strafbefehl. (Foto: Georgine Treybal)

Ein 31-Jähriger aus Nordrhein-Westfalen wird wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gemeinsam mit Komplizen brachte er eine Seniorin aus Tutzing um mehrere zehntausend Euro.

Von Linus Freymark und Kathrin Kessler, Starnberg

Der Ruf des reichen Landkreises Starnberg scheint sich zu Betrügerbanden in der ganzen Republik herumgesprochen zu haben. Nicht umsonst suchte eine Gruppe aus Nordrhein-Westfalen im Sommer 2018 eine damals 79-Jährige aus Tutzing für ihre Masche aus: Per Telefon kontaktierten sie die Seniorin und gaben sich als Polizeibeamte aus. Man habe, so die Legende, Hinweise darauf, dass in nächster Zeit ein Einbruch bei ihr bevorstehe. Ob sie denn Wertgegenstände und Bargeld bei sich zu Hause habe?

Als die Seniorin die Frage bejahte und angab, mehrere Goldbarren und Schmuckstücke in ihrem Haus zu haben, erklärte ihr der falsche Polizist am Telefon, dass man diese "zur Prüfung" noch am selben Tag abholen und für sie verwahren würde. Gesagt, getan: Als die Frau dem Vorgehen zustimmte, tauchte kurz darauf ein Mittelsmann auf. Die Tutzingerin händigte ihm die Wertgegenstände aus - laut Staatsanwaltschaft hatten diese einen Wert von etwa 55 000 Euro.

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Wegen dieses banden- und gewerbsmäßigen Betrugs hat das Amtsgericht Starnberg nun einen 31-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss der Maschinenanlagenführer 1500 Euro an die Tochter der inzwischen verstorbenen Geschädigten zahlen. Gegen zwei weitere Angeklagte wurde das Verfahren vor dem hiesigen Amtsgericht eingestellt, ein weiterer der teilweise vorbestraften Angeklagten wurde freigesprochen.

Er müsse lediglich zu "Kunden" fahren und "Sachen abholen", so das Versprechen

Der nun verurteilte 31-Jährige agierte im Sommer 2018 als jener Mittelsmann, der die Wertsachen bei der Seniorin abholte. Im Prozess gab der geständige Mann an, ein Bekannter habe ihm eine Möglichkeit zum Geldverdienen angeboten. Hierfür müsse er lediglich zu "Kunden" fahren und "Sachen abholen". Für Fahrt und Logis habe er im Voraus 1000 Euro erhalten sowie das Versprechen einer zehnprozentigen Gewinnbeteiligung. Zudem habe der Bekannte den Kontakt zu Hintermännern hergestellt, von denen er weitere Instruktionen erhalten habe. Unter anderem hätten diese ihm über den Messengerdienst Telegram die Adresse der 79-Jährigen geschickt und ihm erklärt, wie er sich zu verhalten habe. Er sei den Anweisungen gefolgt, habe die Wertsachen abgeholt und sie anschließend wie abgesprochen an ein weiteres Mitglied der Bande übergeben.

Gegen die mutmaßlichen Hintermänner laufen weitere Verfahren

Richter Franz von Hunoltstein erklärte in seiner Urteilsbegründung, der 31-Jährige habe bei dem organisierten Betrug "eine untergeordnete Rolle" gespielt. Gleichwohl hätten er und seine Komplizen "die Gutgläubigkeit und das Vertrauen" der Rentnerin "auf perfideste Weise" ausgenutzt. Dadurch sei nicht nur finanziell ein hoher Schaden entstanden: Wie die Tochter der Seniorin berichtete, habe die Tat ihre Mutter sehr mitgenommen. "Sie war ganz aufgelöst", erzählte die 57-Jährige. Besonders belastet habe die Mutter, dass sie, die als selbstbestimmt und gewissenhaft galt, sich nicht vor einem solchen Betrug schützen konnte.

In seinem Geständnis, so Richter Hunoltstein, habe der Angeklagte aber auch "Aufklärungsarbeit" geleistet. Denn gegen die mutmaßlichen Hintermänner laufen derzeit weitere Verfahren an anderen deutschen Gerichten. Dies habe sich strafmildernd ausgewirkt. Von den versprochenen zehn Prozent Beteiligung hat der 31-Jährige übrigens nie etwas gesehen.

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