Starnberg:Strohmann in der Arztpraxis

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Naturheilkundlerin und ihr Helfer vom Landgericht verurteilt

Von Andreas Salch, Starnberg

Eine weit über die Grenzen des Landkreises Starnberg hinaus bekannte Medizinerin für Naturheilkunde und ihr Kollege sind vor dem Landgericht in München in zweiter Instanz wegen Betrugs sowie versuchten Betrugs verurteilt worden. Die 64-Jährige soll für ein Jahr und acht Monate ins Gefängnis. Ihr 72 Jahre alter Kollege erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss die Medizinerin zudem damit rechnen, dass eine noch offene Bewährungsstrafe von zwei Jahren aus anderen Verfahren widerrufen wird. Nach der Verkündung des Urteils durch Richterin Sabine Klemt zeigten sich die Angeklagten bestürzt und fassungslos. Die Verteidiger kündigten an, Revision einzulegen.

Die Medizinerin hatte im Prozess betont, ihr sei es stets um das Wohl ihrer Patienten gegangen. Doch dies spielte in dem Verfahren vor der 6. Strafkammer keine Rolle. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete vielmehr auf Abrechnungsbetrug. Nachdem der 64-jährigen Medizinerin die Zulassung als Ärztin entzogen worden war, stieg ein Kollege in ihre Praxis mit ein. Da er Arzt war, wickelte er Rechnungen der Naturheilkundlerin nach der sogenannten Gebühren-Verordnung für Ärzte (GOÄ) ab. Doch dies hätte er nach Überzeugung des Gerichts nicht tun dürfen, da die 64-Jährige ihr Approbation verloren hatte.

Im Juli 2009 wurde die 64-Jährige wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge vor dem Landgericht München II verurteilt. Sie soll ihr Auto ihrem Sohn zum Transport von Cannabis überlassen und Geld aus Drogendeals bekommen haben. Der Vorwurf sei "absolut absurd", beteuert die 64-Jährige bis heute. Ihr Sohn habe ihren Wagen ohne ihr Einverständnis benutzt, so die Angeklagte. Ebenfalls 2009 wurde die Naturheilkundlerin wegen Kreditbetrugs vor dem Amtsgericht München schuldig gesprochen. In der Folge hatte sie hatte sie ihre Approbation als Ärztin abgeben müssen.

Daraufhin arbeitete der Kollege der 64-Jährigen ab Anfang 2011 als "verantwortlicher Arzt" mit in deren Praxis. Er soll die Patienten darüber informiert haben, dass seine Kollegin nicht mehr Ärztin sei und sie nun unter seiner "Delegation" behandle. Die Angeklagte sei aber keineswegs nur "Helferin" gewesen, die unter Anleitung gearbeitet habe, urteilte Richterin Klemt. Sie habe weiterhin Anamnesen erhoben und die Form der Behandlungen ihrer Patienten bestimmt. Die Behauptung, die Medizinern habe als "Hilfskraft" fungiert, sei abwegig, so die Vorsitzende.

Auch wenn ihr Kollege Rechnungen ausgestellt habe und das Geld auf dessen Konto überwiesen wurde, seien damit die Kosten für Praxis und Praxishilfen beglichen worden, so die Richterin. Der 72-jährige Arzt habe letztlich eine "fremde Leistung" - nämlich die seiner Kollegin - abgerechnet. Dies sei eine "klassische Strohmann-Angelegenheit". Der Naturheilkundlerin warf sie außerdem vor, dass sie selbst nach ihrer Verurteilung durch das Amtsgericht Starnberg in erster Instanz weiterhin Patienten behandelt habe.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte in dem Berufungsverfahren für die Naturheilkundlerin zwei Jahre und acht Monate Haft. Rechtsanwalt Franz Obst, einer der Verteidiger der 64-Jährigen, war angesichts eines Schadens von rund 10 000 Euro über diesen Antrag derart erbost, dass er der Staatsanwältin indirekt vorwarf, sie hätte wohl am liebsten die Todesstrafe gefordert.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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