Verkehr in Starnberg:Die Frau am Lenker hört auf

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Andrea Schmölzer, Organisatorin des Starnberger Stadtradelns, hört auf. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

2009 hat Andrea Schmölzer erstmals das Stadtradeln in Starnberg organisiert. Nun hört sie auf. Ein Rückblick zum Abschied - und ein Ausblick auf die Zukunft des Radverkehrs.

Von Linus Freymark, Starnberg

Über die Jahre sind sie so etwas wie eine kleine Familie geworden. Man sieht sich ja dauernd, bei den Fahrten übers Land zum Beispiel - oder eben beim alljährlichen Stadtradeln. Die "Radlfamilie" nennt Andrea Schmölzer die Bekannt- und Freundschaften, die zwischen ihr und den anderen Radlern entstanden sind. Hat sie also Abschiedsschmerz? "Ja, auf jeden Fall", sagt sie. Denn Andrea Schmölzer hört auf - nach 13 Jahren, mehreren Millionen Kilometern und einer nicht gezählten Anzahl von Telefonaten und E-Mails.

Seit 2009 hat Andrea Schmölzer das Stadtradeln in Starnberg organisiert. Die Idee kommt ursprünglich aus Nürnberg, bei der ersten Ausgabe 2008 waren nur knapp 60 Kommunen am Start. Nun, 2022, werden bundesweit bis zu 2000 Kommunen teilnehmen. Das Event ist als Wettbewerb zwischen den Städten und Gemeinden angemeldet - welcher Ort in den 21 Tagen zusammen am meisten Kilometer auf dem Rad zurückgelegt hat, gewinnt. In einer zweiten Kategorie wird die Kommune ausgezeichnet, in der die teilnehmenden Politiker in Relation zur Anzahl der teilnehmenden Parlamentarier am meisten Strecke gemacht haben. Denn beim Stadtradeln geht es nicht nur darum, drei Wochen lang in die Pedale zu treten, die Aktion hat auch einen politischen Hintergrund: Sie soll auf die Belange von Radfahrenden aufmerksam machen.

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Für Schmölzer, selbst beinahe jeden Tag im Sattel, ist das eine Herzensangelegenheit. "Man gibt den Radlern damit eine Stimme", sagt sie über das Projekt. Das Stadtradeln richte das Rampenlicht auf diejenigen, die viele Strecken mit dem Rad zurücklegen. Denn jahrelang habe sich die Verkehrspolitik vor allem an den Belangen der Autofahrer orientiert. Zwar habe bei Vielen ein Umdenken eingesetzt, auch zahlreiche Kommunalpolitiker hätten inzwischen die Vorzüge des Radelns für den Individualverkehr erkannt. "In den Köpfen hat sich was getan", glaubt Schmölzer. Nur sei davon noch nicht allzu viel spürbar - es brauche ein deutliches "Herzliches Willkommen!" an die Radler seitens der Politik, findet Schmölzer. Und: Man solle Kinder in den Mittelpunkt der Verkehrsplanungen stellen. Weniger Autos, mehr Sicherheit - das käme dann automatisch.

Dass das Radeln immer beliebter wird, zeigt sich schon bei einem Blick auf die Entwicklung des Stadtradelns. Ein paar Zahlen: 2009 waren es in Starnberg rund 240 Teilnehmer. Sieben Jahre später dann: 1400. Im gesamten Landkreis sind es jährlich rund 4000 Radfahrer. Seit 2012 - seitdem macht der ganze Kreis mit - haben die Sportler im Landkreis 7,95 Millionen Kilometer zusammengeradelt. Jedes Jahr nehmen etwa 200 Teams teil, darunter Firmen, Schulen und Vereine.

Das alles ist mit einem Haufen Organisationskram verbunden. Macht dieses Gymnasium nun mit? Was ist mit dieser oder jener Firma? Schmölzer hat vielen Leuten hinterher telefonieren müssen, um vernünftig planen zu können. Ein riesiger Aufwand. Doch nun hat Schmölzer einen neuen Job. Nebenbei auch noch das Stadtradeln zu organisieren sei zeitlich nicht mehr drin, sagt sie. Das übernimmt nun Starnbergs Zweite Bürgermeisterin Angelika Kammerl (CSU). Dieses Jahr ist der Aktionszeitraum in Starnberg vom 27. Juni bis zum 17. Juli.

Frau Schmölzer, zum Abschied bitte eine Bilanz: Wie steht es denn nun um den Radverkehr in Starnberg? Schmölzer überlegt kurz. Klar, sagt sie dann, es tut sich was. "Aber es könnte immer noch mehr sein." Noch immer gebe es zum Beispiel keinen Radverkehrsbeauftragten, der ihre Belange vertritt. "Es braucht jemanden, der dauerhaft anschiebt", sagt Schmölzer. Und ein Monitoring, um einen Überblick darüber zu bekommen, wo wie viel Rad gefahren wird. Und es muss weiterhin umgedacht werden: weg vom Auto, hin zum Rad. Denn es gibt ja so viele Vorteile. Die Klimabilanz etwa, oder die Kosten. Denn neue Radwege seien für die öffentliche Hand deutlich günstiger als Straßenbau. Nur: Bislang sieht man davon noch zu wenig, findet Schmölzer.

Der kürzlich verstorbene dm-Gründer Götz hat einmal gesagt: "Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe." Dieses Zitat ist ihr öfter in den Sinn gekommen, wenn es um die Interessen der Radfahrer ging. Zum Abschied hofft Andrea Schmölzer, dass in Zukunft mehr Wege als Gründe gefunden werden.

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