Brauchtum:Wer dem Starnberger Maibaum zu neuem Glanz verhilft

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Malermeister Max Wörsching ist für die Renovierung der Zunftschilder des Starnberger Maibaums zuständig. (Foto: Georgine Treybal)

In mühseliger Kleinarbeit restauriert Malermeister Max Wörsching die 18 Zunftzeichen - und das bereits seit 50 Jahren.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

"Ich steh als Zeichen Tag für Tag, dass Brauch und Sitt no gelten mag", ist auf dem Schild zu lesen. Die Schrifttafeln, die 18 Zunftzeichen, das fast lebensgroße Paar in Starnberger Tracht und die Rosetten zur Verzierung gehören ebenso zum Starnberger Maibaum, wie der Star als Wappentier, der die Spitze krönt. Die Figuren werden gerade vom Starnberger Malermeister Max Wörsching restauriert. Die Arbeiten in der Werkstatt laufen auf Hochtouren - schließlich muss bis zum 1. Mai alles fertig sein.

Seit dem 16. Jahrhundert steht der Starnberger Maibaum auf dem Tutzinger Hofplatz. Er gilt als Wahrzeichen der Stadt und ist der schönste Maibaum in Bayern - zumindest nach Meinung des ehemaligen Kreisheimatpflegers und früheren Vorsitzenden des Trachtenvereins Starnberg, Willi Großer, und seines Vereinskollegen Wörsching. Auch in diesem Jahr ist der Traditionsbaum mehr als 30 Meter hoch, wird aber nur die letzten Meter bis zur Spitze weiß-blau geringelt.

Darunter wäre die Spirale, die der Raute im bayerischen Wappen nachempfunden ist, wegen der Schilder nicht zu sehen, erklärt Wörsching. Eine schlichte Bemalung in Weiß und Blau genügt. Zur richtigen Bemalung des Maibaums gibt es strenge Regeln. Grundsätzlich gilt: Die Spirale führt von links unten nach rechts oben. Es gebe zwar Maibäume, die andersherum geringelt sind, aber dort hätten die Leute eben keine Ahnung, urteilt Wörsching. Großer formuliert es drastischer: "Man kann auch aus Blödsinn eine Tradition machen."

Als anerkannter Fachmann für bayerisches Brauchtum weiß Großer, dass der Maibaum ein Symbol für Einigkeit und Zusammenhalt im Dorf ist. Denn alle helfen zusammen, um den Baum zu schmücken. Bis zum 1. Mai bleibt er normalerweise versteckt und wird von der örtlichen Burschenschaft streng bewacht. In Starnberg gibt es zwar keine Burschenschaft, die Bewachung ist trotzdem gewährleistet. "Wenn wir unsere Damen nicht hätten", lobt Wörsching und meint damit die weiblichen Mitglieder des Trachtenvereins, die sich durchaus zu wehren wüssten, falls jemand auf die Idee kommen sollte, den Maibaum zu klauen.

Überall im Landkreis stellen die Gemeinden ihre Maibäume auf. Hier wird gerade das Wörthseer Exemplar in Position gebracht. (Foto: Georgine Treybal)
Das erfordert wie hier in Oberalting viel Kraft und die Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft. (Foto: Georgine Treybal)

Das ist bislang nur einmal passiert, vor vielen Jahren, als Willi Großer noch Vereinsvorstand war. Die als Maibaumdiebe berühmt-berüchtigten Unterbrunner Burschen hatten das Starnberger Wahrzeichen stibitzt. Aber sie sind nicht weit gekommen; denn Großer hat sie in Rieden gestellt. Gerade noch rechtzeitig: Denn nur, wenn die Flurgrenze überschritten wird, gilt der Maibaum als gestohlen und kann mit Bier und Brotzeit wieder ausgelöst werden. Die Unterbrunner hätten nicht gewusst, dass Rieden zu Starnberg gehört, erinnert sich Großer. Weil aber alles friedlich gelöst wurde und kein "böses Wort" gefallen sei, gab es dennoch eine schöne Feier. Auch das fördere die Gemeinschaft, sagt Großer.

Normalerweise sind die Zunftzeichen aus Holz, in Starnberg sind sie aus Eisen. Das hat laut Großer nichts mit Tradition zu tun, sondern mit Geld. Die Zunftzeichen werden traditionell von den örtlichen Handwerksbetrieben gespendet. Je nachdem, was die Handwerker investieren wollen, sind die Schilder aus Metall oder aus billigerem Holz.

Der Rost frisst sich Jahr für Jahr tiefer in die Schilder

Jetzt bekommt die Stadt die Quittung dafür, dass sich die Handwerker vor 100 Jahren nicht lumpen ließen; denn die Figuren müssen nun alle fünf Jahre, wenn ein neuer Baum aufgestellt wird, aufwendig und arbeitsintensiv restauriert werden. Sie haben ein riesiges Gewicht. Daher werden zusätzliche Eisenstangen durch den Stamm geschlagen, als Träger für die Eisenringe, die darüber angepasst werden, um die Zunftzeichen zu halten. Die Stadt trägt die Kosten, den Zeitaufwand finanziert der Verein über Spenden, die herzlich willkommen sind.

Malermeister Wörsching hat sich seit mehreren Wochen ausschließlich mit den Maibaumfiguren beschäftigt. In seiner Werkstatt ist es eng. An den Wänden stehen Farben und Werkzeuge ordentlich aufgereiht in den Regalen. Darunter sind die bereits fertig gestellten Figuren gestapelt. Es gibt Abbildungen der Josefskirche und der Schlossbergschule sowie 18 Zunftzeichen von Handwerkern, wie Schlosser, Schreiner, Bauern oder Metzger. Das Schneiderhandwerk etwa ist mit Bügeleisen und Schere dargestellt, das der Bäcker mit Breze und Hörnchen.

Witterungsbedingt frisst sich der Rost Jahr für Jahr tiefer in die Schilder. Doch Wörsching kennt jeden einzelnen Rostfleck auswendig, da er seit 50 Jahren für die Instandhaltung der Tafeln zuständig ist. Doch nach 100 Jahren hilft auch tagelanges Schleifen, Bürsten und Rostschutzfarbe nicht mehr, um sie komplett zu beseitigen.

Die verbliebenen Unebenheiten überdeckt Wörsching mit dicken Farbschichten. Details wie die Silberknöpfe am Rock des Trachtenmannes oder die Schatten an den Gebäuden arbeitet er fein heraus. Das ist dem Malermeister wichtig, auch wenn das viel Zeit kostet. Er habe eine gewisse Berufsehre, sagt er.

Der Starnberger Star ist schon lange fertig und wurde bereits an die Maibaumspitze montiert. Früher hatte das Wappentier der Kreisstadt einmal gelbe Füße. Wörsching hat es übermalt und dem Star rote Füße verpasst. "Es ist ein Star und keine Amsel", erklärt er.

Jetzt bearbeitet Wörsching die reich verzierte Spruchtafel. Die schwarzen Buchstaben glänzen auf der strahlend weißen Grundierung. Nur noch die rote Verzierung der Anfangsbuchstaben fehlt. Dafür muss Wörsching noch einmal zwei Tage Arbeit investieren. "Und in fünf Jahren kann ich wieder von vorne anfangen", sagt er. Aber den Aufwand nimmt er gerne auf sich.

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