Finanzen:Landkreis erwägt Klage gegen Freistaat

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Im Landratsamt werden sowohl staatlich als auch kommunal delegierte Aufgaben erledigt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Kreisbehörde erledigt sowohl staatliche als auch kommunal delegierte Aufgaben. Gibt es dafür auch von beiden Seiten ausreichend Geld? Die Gemeinden bezweifeln das.

Von Carolin Fries, Starnberg

Schulen, Kitas, Straßen, dazu Corona-Pandemie und Flüchtlinge: Es wird immer mehr, wofür die Landkreise und Kommunen in Bayern zahlen müssen. Doch es gibt nicht mehr Geld, um die wachsenden Aufgaben zu bewältigen. Darum wächst der Unmut in den Rathäusern und Landratsämtern: Sie fühlen sich vom Freistaat im Stich gelassen und ausgenutzt. Denn viele der Ausgaben leisten die Gemeinden für staatliche Aufgaben. Im Landkreis Starnberg wollten darum drei Gemeinden vor dem Verwaltungsgericht gegen das Landratsamt klagen. Zu groß und in Teilen nicht berechtigt sei die Kreisumlage, über die sich die Behörde am Säckel der Kommunen bedient. Ein Gutachten war bereits in Auftrag gegeben. Nun hat Landrat Stefan Frey (CSU) angekündigt, dass es "womöglich der bessere Weg ist, wenn der Landkreis gegen den Freistaat klagt". Ein Novum in Bayern. Denn so groß das Gejammer von Oberbayern bis Franken auch ist: Juristische Schritte wegen Unterfinanzierung hat noch kein Landkreis eingeleitet.

Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik hatte zunächst die Idee, eine mögliche Klage gegen den Landkreis wegen unsachgemäßer Berechnung der Kreisumlage prüfen zu lassen. Das ist der einzig mögliche Schritt, mit dem sich Städte und Gemeinden gegen die hohen Anforderungen wehren können. "Da habe ich mich gleich angeschlossen", erzählt Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux (FDP). "Die Gemeinden sind finanziell am Ende der Fahnenstange angekommen", sagt er. Krailling habe heuer 6,8 Millionen Euro an den Landkreis zu zahlen. Nach ersten Berechnungen entfallen etwa 433 0000 Euro davon auf Dinge, für die eigentlich der Freistaat zuständig wäre. Etwa die Kostensteigerung im Personalbereich des Landratsamtes für die Wohngeldzahlungen. Unter anderem damit hatte der Kreis die gestiegene Umlage begründet. Für Haux ist es "der bequeme Weg", den der Landkreis wählt, wenn er zur Finanzierung seines Haushalts einfach die Gemeinden schröpft. Obendrein womöglich rechtlich nicht zulässig. Die Gemeinde Pöcking unterstützte das Gutachten ebenso.

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Ekkehart Reimer, Professor an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, erhielt also den Auftrag zu ermitteln, ob der Landkreis bei der Ermittlung des Finanzbedarfs, den er der Kreisumlage zugrunde legt, Kosten einbeziehen darf, die der Betrieb des Landratsamtes als Staatsbehörde mit sich bringt. Der 54 Jahre alte Jurist, der sich auf öffentliches Recht sowie Finanz- und Steuerrecht spezialisiert hat, kommt in einer ersten Einschätzung zu dem Ergebnis, dass das Landratsamt für die Berechnung der Kreisumlage eine Trennungsrechnung staatlicher und kommunaler Aufwendungen zugrunde legen müsste. In Baden-Württemberg etwa gäbe es "präzisere Regeln" bei der Erhebung der Umlagen, sagt er am Telefon. Eine seriöse Auskunft, ob eine Klage erfolgversprechend wäre, könne er momentan aber nicht geben. "Es ändert sich immer noch mal was beim wissenschaftlichen Arbeiten." Bis Ostern habe er die Rechtslage geprüft und das Gutachten erstellt, hat er dem Starnberger Bürgermeister geschrieben.

In den Rathäusern im Landkreis liegen derweil die Bescheide der Kreisumlage vor, einen Monat nach Zustellung können die Gemeinden klagen. In Krailling endet die Frist am 8. März. Die Rechtsschutzversicherung habe der Gemeinde eine Kostenübernahme für den Klageweg in der ersten Instanz bis zu 80 000 Euro in Aussicht gestellt, so Haux. Er hat sich darum am vergangenen Dienstag mit dem Gemeinderat beraten. In der Sitzung kommt auch Landrat Frey zu Wort. Er macht keinen Hehl daraus, dass er einer Anfechtungsklage gegen den Umlagebescheid vor dem Münchner Verwaltungsgericht keine Aussicht auf Erfolg bescheinigt. Nach den gängigen Verfahren würde dieser lediglich formal geprüft. Nicht begutachtet werde dabei die entscheidende Frage, ob der Landkreis von staatlicher Seite aus unterfinanziert sei, erläuterte Frey. Er schlug darum vor, dass der Landkreis juristische Schritte einleite - "vorausgesetzt, das Gutachten hat Hand und Fuß" - und die Gemeinden klagten nicht gegen den Landkreis. "Zwei Verfahren halte ich für überflüssig, da gibt es Wichtigeres zu tun." Zudem könne man so ein "Zeichen als kommunale Familie setzen".

Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux hätte gerne gegen den Landkreis geklagt. (Foto: Nila Thiel)

Der Kraillinger Gemeinderat lehnte eine Klage daraufhin mehrheitlich ab. Bürgermeister Haux "hätte gerne geklagt", wie er rückblickend sagt und ist "verwundert", dass die Mehrheit im Gremium den anfechtbaren Umlagebescheid "einfach so hinnimmt". 433 000 Euro seien für die klamme Gemeinde "nicht trivial". Zudem könnten sich auch die Belastungen für die kommenden Jahre reduzieren. Grünen-Gemeinderätin und Kreisrätin Andrea Schulte-Krauss begründet ihre Ablehnung mit der schlechten Informationslage, "das ist einfach zu unausgegoren". Sie hält es zudem für unsolidarisch den anderen Gemeinden im Landkreis gegenüber - von diesen würde sich der Landkreis nämlich den Fehlbetrag aus Krailling zurückholen. Zumal stehe der Landrat nun im Wort, dem Kreisausschuss eine Klage vorzuschlagen, sollte das Gutachten eine solche empfehlen. "Und das könnte dann eine große Sache werden, dann kommt nämlich die komplette kommunale Finanzierung auf den Prüftisch."

Landrat Stefan Frey ist skeptisch, ob der Klageweg das erhoffte Ergebnis bringt. (Foto: Georgine Treybal)

Das findet auch Landrat Frey erstrebenswert. Er hat vom Kreiskämmerer einmal grob durchrechnen lassen, wie viel Geld der Kreis für die Erledigung staatlicher Aufgaben im Jahr 2022 erhalten hat (12 Millionen Euro) und wie viel der Landkreis tatsächlich dafür ausgegeben hat: 21 Millionen Euro. "Neun Millionen Euro fehlen uns. Das haut vorn und hinten nicht mehr hin", sagt er. Darum brauche es neue Regeln bei der Ausstattung der Gemeinden, Landkreise und Bezirke. "Das ist eigentlich ein gesetzliches und kein politisches Thema", sagt er. Darum ist er auch skeptisch, ob der Klageweg grundsätzlich richtig ist, "schließlich hält uns der Freistaat in vielen Bereichen auch den Rücken frei". Außerdem unterstütze das Land Kommunen in schwierigen Lagen mit freiwilligen Zahlungen, auch wenn im Landkreis nur zwei Gemeinden Schlüsselzuweisungen erhielten. Dann fielen die eben weg und es würde ein "Nullsummenspiel". Natürlich könne eine Klage den Gesetzgeber zur Einsicht bewegen - oder aber bockbeinig machen.

Derweil rüsten sich sowohl die Gemeinden als auch die Kreisbehörde für mögliche juristische Auseinandersetzungen in den kommenden Jahren. So haben sich die Landkreisgemeinden inzwischen darauf verständigt, die Kosten für das Gutachten in Höhe von 25 000 Euro gemeinsam auf der Grundlage des gängigen Verteilungsschlüssels zu tragen - womit es allen Gemeinden als Rechtsgrundlage bei Verfahren dienen kann. Das Landratsamt wiederum hat angekündigt, seine Bescheide formal sicherer zu machen. Die Rathaus-Verwaltungen müssen deshalb ihre Haushalte für das Jahr 2025 deutlich aufwendiger gestalten, um der Kreisbehörde eine noch präzisere Berechnung der jeweiligen Finanzkraft zu ermöglichen.

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