Kabarett:Starnberg, wie es sinkt und lacht

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Das Programm der Kolpingfamilie fällt heuer besonders schrill und schräg aus. Es geht ums "Chaos" im Rathaus, renitente Radfahrer, die Segnungen der Ökumene und den akuten Handwerker-Mangel in der Stadt.

Von Peter Haacke, Starnberg

Der Besuch einer Aufführung des "Kasbrettls" gilt für echte Starnberger, aber auch alle, die sich dafür halten, als Pflicht: Das Kabarett der Kolpingsfamilie Starnberg gilt seit Jahren als Seismograf für Befindlichkeiten in der Stadt, die dann mit spitzer Feder und frechen Texten musikalisch untermalt die Lachmuskeln des Publikums strapazieren. Wie beim klassischen Derblecken nimmt das Ensemble Menschen und Marotten aufs Korn, prangert Missstände an und präsentiert Kuriositäten. Hauptsache aber ist stets: "Ihr hattet Spaß!" Den hatten die Gäste durchaus auch in diesem Jahr: Die muntere "Kasbrettl"-Truppe unter Leitung von Thomas Beigel feierte nach zwei Jahren Pause im renovierten Pfarrzentrum St. Maria am Donnerstag die umjubelte Premiere von "Libertas Bavariae".

Es ist eine überaus schräge Geschichte, die die Autoren als roten Faden für die dreiteilige Aufführung ersannen: Der Patrona Bavariae (Waltraud Beigel), Bayerns Schutzheiliger, ist fad: Seit 168 Jahren steht sie nun schon an der Münchner Theresienwiese herum und sieht jedes Jahr im Herbst stets das gleiche Massenbesäufnis und Tollwood-Ökos. "Oh, mein Bayern, was ist bloß aus dir geworden?", stöhnt sie - und nimmt ein Sabbatical. Paris, London und New York stehen auf dem Reiseplan. Doch die erste Station führt ausgerechnet an den Starnberger Bahnhof See, wo sie unverhofft eine neue Bekanntschaft macht: Libertas, die amerikanische Freiheitsstatue von New York (Annick Hess-Vincon), die von US-Präsident Trumpel wegen ihrer französischen Wurzeln des Landes verwiesen wurde und zum weltweit einzig freien Weltraumbahnhof nach Oberpfaffenhofen geflogen wurde.

So kurios schon der Einstieg in die Geschichte ist, so turbulent geht es weiter mit Schlaglichtern auf die Starnberger Verhältnisse, etwa den Handwerker-Mangel: Da ist die Versteigerung "Bares für Rares", bei der Auktionator Mike Hammer (Bernd Beigel) den Abrissunternehmer Bernd Birne (Jochen Friedrich), den Elektriker Kurti Kurzschluss (Florian Wagner) und Gotthilf Dengl (Alexander Decker), der singt: "I bin der Dachdecker, in bin der Gott." Auch zwei "virtuelle Handwerker", die nicht vorhanden sind, werden meistbietend unters Volk gebracht. Oder das Lied von der Therapie eines Stadtrates durch "die Buagomoasterin von diese Stadt", die stets "ihr Köpferl in Sand" steckt, sobald der Wind weht - eine Anspielung auf Bürgermeisterin Eva John, der bereits 2015 mit "Preisverdächtig: Dinner for John" ein Denkmal gesetzt wurde und das heute noch auf "Youtube" im Internet zu finden ist. In der Adaption von "Sein Köpferl im Sand" des österreichischen Liedermachers Arik Brauer etwa heißt es in der vierten Strophe: "Im Rathaus herrscht das Chaos, die Schreckensherrschaft brummt. Die Guadn laffa weg, und der Speichellecker kummt."

Zielscheibe ist auch Starnbergs katholischer Pfarrer Anderas Jall mit seinem Ökumene-Kurs, was die "Kasbrettl"-Macher zu einem wirklich komischen Treffen zwischen einem Katholiken, einer Protestantin, einem Buddhisten, Imam und Rabbi sowie einer Ministrantin inspirierte. Jall, der die Premiere ebenfalls verfolgte, nahm's gelassen: Wie beim Derblecken, erklärte er lächelnd, sei es doch wohl noch schlechter, gar nicht erwähnt zu werden.

Doch Starnberg hat aus Sicht des "Kasbrettls" noch mehr Merkwürdigkeiten zu bieten: rätselhafte Straßenmalereien, ein undurchschaubares ÖPNV-System oder renitente Radfahrer, die "einen vierspurigen Tunnel ohne Gegenverkehr zur Seeanbindung" fordern. In einer Glanzrolle erzählt Bernhard Gawinski von Erlebnissen seiner Tour als radelnder E-Bike-Pazifist zur Kochelberg-Alm. Und als Höhepunkt machen sich Thomas Beigel, Stephan Weinl und Florian Wagner als "Die Drei von der Tankstelle" selbst Druck und widmen sich dem Diesel als "Auto mit Emissionshintergrund" unter besonderen Vorzeichen.

Mangelware sind Handwerker, die versteigert werden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Publikum, darunter ein Drittel des Stadtrates, hatte seine helle Freude am Klamauk - auch wenn sich mancher lieber eine Themenauswahl unter aktuellen politischen Vorzeichen gewünscht hätte. Immerhin: Bavaria und Freiheitsstatue waren jedenfalls froh, am Ende gemeinsam in München vor der Ruhmeshalle zu stehen. Die Gäste aber - das dürfte das wichtigste Anliegen sein - hatten richtig großen Spaß.

Weitere Aufführungen (Beginn der Bewirtung: 19.15 Uhr) diesen Samstag, Fr./Sa./So., 24. bis 26. Mai, Mi. bis Sa., 29. Mai bis 1. Juni. Karten können vorbestellt werden unter www.kasbrettl.de.

© SZ vom 18.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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