Asylbewerber:Jobcenter im Stress

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Anzahl der Hartz-IV-Empfänger im Landkreis wird sich 2016 auf bis zu 2500 Personen erhöhen. Grund für den drastischen Anstieg sind vor allem Asylbewerber, die anerkannt werden oder Bleiberecht erhalten

Von Otto Fritscher, Starnberg

Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger im Landkreis Starnberg wird im kommenden Jahr drastisch steigen, und zwar um 500 bis 800 Personen. Zurzeit sind es rund 1700 Menschen, die vom Jobcenter an der Starnberger Moosstraße betreut werden und Leistungen nach Hartz IV erhalten. "Der Grund für den Anstieg sind die Asylbewerber, die im Lauf des nächstes Jahres anerkannt werden oder zumindest Bleiberecht erhalten werden", erklärte Landrat Karl Roth bei einer Pressekonferenz am Dienstag, bei der eigentlich das zehnjährige Bestehen des Jobcenters gewürdigt werden sollte.

"Wie viele Kunden genau neu zu uns kommen, lässt sich nicht genau sagen, da es viele Unwägbarkeiten gibt", ergänzte Gerhart Schindler, Geschäftsführer des Jobcenters, das von Landkreis und Arbeitsagentur gemeinsam getragen wird. Unsicher ist etwa, ob die Bearbeitungszeit der Asylanträge sich tatsächlich verkürzen lässt. Und ob alle dann anerkannten Asylbewerber wirklich im Landkreis Starnberg bleiben oder in andere Regionen Deutschlands ziehen, wo Mieten und Lebenshaltungskosten günstiger sind als im Fünfseenland. Als Basis für die Schätzungen dient die Zahl der Asylbewerber aus acht Nationen , die gute Aussichten haben, anerkannt zu werden. Dazu zählen Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan.

Klar ist aber, dass 2016 bis zu 2500 Hartz-IV-Empfänger vom Jobcenter betreut werden müssen, sowohl was die "Leistungen zum Lebensunterhalt" betrifft, die von der Agentur bestritten werden, als auch die "Kosten der Unterkunft", die der Landkreis aufbringen muss. Letztere belaufen sich für dieses Jahr auf 7,9 Millionen Euro, eine Steigerung auf 8,7 Millionen Euro ist bereits eingeplant. "Was sehr zurückhaltend ist, vermutlich müssen wir nachlegen", sagte Roth. Die Leistungen zum Lebensunterhalt, also Hartz IV in Höhe von 399 Euro monatlich plus Zusatzleistungen, summieren sich für die Arbeitsagentur heuer auf 5,5 Millionen Euro. Das Jobcenter wird nächstes Jahr bis zu 800 000 Euro zusätzlich vom Bund erhalten, wovon zu den bisher 35 noch fünf neue Mitarbeiter finanziert werden sollen, aber auch zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen. "Der Fokus wird auf Deutschkursen liegen", kündigte Schindler an.

Auf zwei Projekte ist Roth besonders stolz: das Sozialkaufhaus unter der Regie der Caritas, in dem aber "marktferne Kunden" arbeiten, wie im Jargon der Arbeitsagentur schwer zu vermittelnde Menschen heißen. "Manche müssen da erst wieder die Regelmäßigkeit lernen", sagte Schindler. Bewährt hat sich auch das "Start-frei-Projekt", das vor allem alleinerziehenden Müttern den Weg nach der Kinderpause zurück ins Berufsleben eben will. "Beim bisher letzten Projekt haben alle bis zum Ende durchgehalten", erklärte Roth.

Das Jobcenter sei vor zehn Jahren, bei der Umsetzung der Hartz-IV-Reform, "eine Zwangsehe" gewesen, sagte Roth. Damals wurde die Betreuung von Langzeitarbeitslosen, für die vorher das Sozialamt des Landratsamtes und die Arbeitsagentur zuständig waren, unter einem Dach zusammengeführt. Die Kooperation zwischen dem Landkreis und der Arbeitsagentur nach den Worten von Roth "wieder harmonisch" geworden, seitdem seit zwei Jahren die Arbeitsagentur in Weilheim für den Landkreis Starnberg zuständig ist, und nicht mehr die große Agentur in München. Da habe es "Reibereien" gegeben, sagte Roth.

Gerhart Schindler ist von beiden Seiten vor kurzem für weitere fünf Jahre zum Geschäftsführer des Jobcenters bestellt worden. Er kennt auch die schwierigen Seiten seines Jobs: Unter den 336 Langzeitarbeitslosen, die derzeit vom Jobcenter betreut werden, gibt es auch "Einzelfälle", die keinerlei Interesse an Arbeit oder Qualifizierung haben. "Die wollen einfach ihre Geld, und weil sie manchmal querulatorisch sind, sind sie sehr zeitaufwendige Kunden für uns", sagte Gerhart Schindler. Insgesamt ist Schindler mit der vergangenen Dekade aber sehr zufrieden. Die Quote der Hartz-IV-Bezieher im Landkreis beträgt 1,1 Prozent, "Tiefststand", wie Schindler sagte. Zum Vergleich: Insgesamt beträgt die Arbeitslosenquote im Fünfseenland zurzeit 2,8 Prozent.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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