Als er den Ausstellungstitel "Freundliche Übernahme" auf die Einladungskarte drucken sollte, habe er einen Moment lang gedacht, er sei mit der Öffnung seines Hauses für Gegenwartskunst vielleicht einen Schritt zu weit gegangen, bekannte Museumsleiter Benjamin Tillig am Donnerstagabend bei der Vernissage. Die Künstlergruppe "Offene Ateliers" hatte ihn zu ihrem 25-jährigen Bestehen lediglich um eine Ausstellungsmöglichkeit im Museum Starnberger See gebeten. Doch unter einer "freundlichen Übernahme" versteht man gemeinhin den Kauf eines Unternehmens im Einvernehmen mit dem Management jenes Unternehmens, das geschluckt werden soll.
So weit ist es dann aber doch nicht gekommen. "Vieles von dem, was ich kannte, ist nach wie vor da", konstatierte Tillig nach dem Aufbau der Ausstellung erleichtert, "aber es ist auch Vieles da, was ich noch nicht kannte". Von einer Übernahme des Museumsbetriebs könne keine Rede sein: Vielmehr hätten die acht Mitglieder der Künstlergruppe das Jubiläum zum Anlass für eine Spurensuche im historischen Lochmannhaus genommen: Sie ergänzten und unterwanderten zuweilen die ständige Ausstellung zu Volkskunst und altem Handwerk.
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Zu sehen sind einerseits plakative Gegenpositionen zu den Exponaten des Museums. So hat etwa Ute Beck in der sogenannten Kapelle des Museums in der Sichtachse vor der berühmten Starnberger Heiligen von Ignaz Günther eine ihrer Keramikvasen aufgestellt. Deren metallisch schimmernde Lüsterglasur und ihre ausladenden organischen Formen, die an weibliche Brüste denken lassen, können freilich mit der unbeschreiblichen Eleganz der Rokokoschnitzfigur nicht mithalten. Johannes Hofbauer reihte seine geschnitzten und gedrechselten Holzobjekte zwischen den ausgestellten Gerätschaften und Werkzeugen früherer Jahrhunderte ein oder drapierte sie als "Kochgut" auf der offenen Feuerstelle des uralten Hauses.
Susanne Palme-Waldemer sortierte eine ganze Reihe ihre wundersam nutzlosen und mit Augen bestückten Assemblagen aus Gips wie Küchengeschirr ordentlich in einen Schrank ein, manche fanden auch in der Vitrine mit den Votivbildern einen Platz. Ulrike Prusseit antwortet mit Collagen und Zeichnungen auf die kunstvollen Ornamente der Vertäfelung in der "Gotischen Stube" im ersten Stock des altehrwürdigen Gebäudes, und Ursula Steglich-Schaupp hat ihre kleinformatigen Papierarbeiten, mit denen sie "Vergangenem nachspüren" will, äußerst respektvoll in den Fensternischen der historischen Wohnstube platziert. In den beiden niedrigen und dunklen Räumen, die einst von einer vielköpfigen Fischerfamilie bewohnt wurden, entstanden auch die höchst merkwürdigen Fotos von Katharina Kreye: Sie ließ ihre Künstlerkollegen zu zwei "Tableaux Vivants" antreten und präsentiert sie nun direkt am Ort des Geschehens.
Die Grenzen zwischen den künstlerischen Interventionen von Susanne Mansen und den Ausstellungsstücken des Museums aber ist beinahe fließend: Sie legte in der einstigen Schlafstube einen freundlichen "Wechselbalg" mit großen treuen Hundeaugen und Segelohren in eine Wiege und arrangierte dazu ein paar kunstvolle Porzellanknöchelchen im steinernen Futtertrog. Für das Polster, das die Besucherköpfe an einem niedrigen Türsturz schützen soll, stickte sie ein Tüchlein mit der Aufschrift "Demut", und vor einem beinahe lebensgroßen "Erbärmdebild" - eine Jesus-Darstellung mit Leidensmerkmalen - platzierte sie einen kleinen Schemel mit der gestickten Aufschrift "Erbarmen".
Die Eingriffe von Ina Kohlschovsky dagegen sind so subtil, dass man sie leicht übersehen könnte. Es ist aber gerade ihre Beiläufigkeit, die diese Arbeiten zu höchst eindringlichen Statements macht: Unter dem Titel "Bezauberndes Starnberg" hat die Malerin die besonders schändlichen Schandflecke der Stadt in Postkartengröße und in geradezu fotorealistischer Malweise auf Karton gebannt und sie dann zwischen den Schautafeln und historischen Ansichten in den Vitrinen platziert.
Die Ausstellung "Freundliche Übernahme" ist einen Monat lang zu den Öffnungszeiten des Museums Starnberger See zu sehen. Die Finissage findet am 12. November ab 16 Uhr statt.