Starnberg:Groß geworden in der Werkstatt

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Regisseur Walter Steffen aus Seeshaupt erzählt mit viel Ruhe die Lebensgeschichten von Handwerkern am Starnberger See.

Sabine Bader

"Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muss das Handwerk vorausgehen, welches nur in der Beschränkung erworben wird." Aus "Wilhelm Meisters Wanderjahre" von Goethe stammt dieser Satz und er hätte Pate stehen können für den neuen Film "Zeug & Werk" des Seeshaupter Dokumentarfilmers Walter Steffen. Elf Handwerker aus den Gemeinden rund um den Starnberger See kommen darin zu Wort, und sie gewähren Einblicke in eigene kleine Welten. Sie erzählen aus ihrem Lebens- und Arbeitsalltag, von ihren Sorgen und Hoffnungen.

Regisseur Walter Steffen (rechts) bei den Dreharbeiten für seinen neuen Film über Handwerker am Starnberger See. (Foto: oh)

Da ist zum Beispiel Ernst Simmerding aus Leoni, der wie seine Vorfahren vom Bootsbau lebt und dennoch lieber an Land bleibt. "Interessant ist die Linie zwischen Wasser und Festland", philosophiert er vor laufender Kamera. Da ist der Schuhmachermeister Hans Karl aus Feldafing, der als junger Mann mit dem Rucksack über die Dörfer zog und die Schuhe der Kunden einsammelte, um sie dann, eine Woche später, repariert wieder auszutragen. Er könnte längst in Rente sein. Der Grund, dass er noch immer in seiner Werkstatt sitzt, ist einfach: Karl liebt seinen Beruf. Das hat er mit Rudi Werner gemein, der auf der anderen Seeseite, in Holzhausen, eine Schmiedewerkstatt betreibt. Was er über seinen Arbeit erzählt, ist sinnlich, auch wenn er es mit unbeugsamem Material zu tun hat.

Tradition spielt in der Vita der Handwerkerfamilien meist die entscheidende Rolle. Viele der Porträtierten haben Kindheit und Jugend in den Werkstätten der Väter verbracht, haben von ihnen das Rüstzeug und so manchen Kniff gelernt. Mit dem Handwerk groß zu werden, das schafft, wie man sieht, Verbundenheit. Im Fokus von Steffens Dokumentarfilm stehen darum auch die persönlichen Familiengeschichten und Biografien, illustriert mit alten Fotos.

Werners Vater beispielsweise ist mit nur 64 Jahren nach getaner Arbeit in seiner Schmiede gestorben. Dramatischer kann ein Arbeitsleben kaum enden. Auch die Geschichte, die Zimmerer Wilhelm Müller aus Tutzing erzählt, ist extrem: Der größte Auftrag, den sein Großvater mit seiner Zimmerei je hatte, war der Bau der Tutzinger Josefskirche mit ihren zwei Türmen. Genau der hat den Großvater aber an den Rand des geschäftlichen Ruins gebracht.

"Zeug & Werk" ist nach "Bulldogs - Traktorgeschichten" und "Netz und Würm" der dritte Teil der Reihe "Geschichten vom Starnberger See". Und es ist erneut ein sehr ruhiger, unaufgeregter und bodenständiger Film. Dazu hat auch Pentti Turpeinen aus Beuerberg mit seinen zarten Kompositionen beigetragen. Regisseur Walter Steffen mag sein Filmteam - wie Kameramann Christoph Ißmayer und Cutter Martin Wunschick - und er mag die Protagonisten. Das spürt man. Er nimmt sich zurück, stellt keine Fragen, vermeidet erklärende Passagen, lässt stattdessen seine Handwerker erzählen. Und er lässt ihnen vor allem eines: Zeit. Ähnlich der Zeit, die ein guter Bäcker dem Teig lässt, wie Hubert Graf aus Ammerland weiß. Und ähnlich der Geduld, die Chocolatier Franz Clement aufbringen muss, um im alten Bahnhof von Bernried besondere Pralinen zu kreieren. Denn, wie sagt Goethe? "Eines recht wissen und ausüben gibt höhere Bildung als Halbheit."

"Zeug & Werk" ist noch am heutigen Samstag um 20 Uhr im Kurfilmtheater Tutzing zu sehen und am Sonntag, 21. November, in einer Matinee um 11 Uhr im Kino Starlight in Weilheim.

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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