Künstliche Intelligenz:"Eine Maschine, die wie ein Gott über die Menschen bestimmt"

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Ein Binärcode auf dem Monitor eines Notebooks, fotografiert aus der Vogelperspektive. (Foto: imago)

Christian J. Meier stellt in Starnberg seinen Science-Fiction-Thriller "KI - Wer das Schicksal programmiert" vor. Im Interview spricht er über die Zukunft und die gesellschaftlichen Folgen der Informatik.

Von Mascha Plücker, Starnberg

Die wachsende Bedeutung von künstlicher Intelligenz (KI) im alltäglichen Leben stellt die Gesellschaft vor viele Fragen. Wie wird KI unser zukünftiges Leben prägen? Und welche Grenzen müssen ihrem Einfluss gesetzt werden? Der Journalist und Schriftsteller Christian J. Meier widmet sich diesen Fragen in einigen seiner Werke. In "KI - Wer das Schicksal programmiert" skizziert der 55-Jährige anhand eines dystopischen Zukunftsentwurfs die Vorteile und Gefahren technologischer Entwicklung. Am Dienstag, 31. Oktober, liest er daraus um 19 Uhr in der Starnberger "Bücherjolle".

SZ: Moderne Technologien und KI waren häufig Gegenstand Ihrer Bücher. Was hat Sie dazu bewegt, sich dem Thema zuzuwenden?

Christian J. Meier: Mich fasziniert das Thema künstliche Intelligenz grundsätzlich, da sie versucht, menschliche Intelligenz durch technische Mittel zu erreichen. Besonders brisant finde ich, wie KI gleichermaßen mit enormen Chancen als auch Risiken verbunden ist. Daher beschäftige ich mich auch journalistisch mit aktuellen Entwicklungen der KI. Durch fiktionale Darstellungen kann man darüber hinaus Zukunfts- Spekulationen einbringen, was ich reizvoll fand. Die Risiken von KI in konkrete Geschichten einzubetten, macht sie für Leser greifbarer als abstrakte wissenschaftliche Ansätze. Außerdem bin ich Science-Fiction-Fan und lese selber gerne Thriller, die sich der nahen Zukunft widmen.

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Das Buch, aus dem Sie vorlesen, ist also ebenfalls als Science-Fiction- Thriller konzipiert?

Genau. Das Buch erschien 2019. Es geht um eine sehr mächtige KI, die von den großen Internetkonzernen betrieben wird und alles übernimmt: Von simplen Produktempfehlungen bis hin zur Steuerung von Krankenhäusern. Im Verlauf meines Thrillers stellt sich dann heraus, dass die KI viel mehr steuert als ihre Nutzer denken.

Sie haben in Physik promoviert und betreiben Forschung zu Nanotechnologie und Quantenphysik. Inwiefern ist dieses Wissen in Ihr Buch eingeflossen?

Ja, ich interessiere mich sehr breit für technologische Entwicklungen und habe auch Sachbücher über Nanotechnologie und Quantencomputer geschrieben. Dieses Wissen flechtet sich da teilweise mit ein, da diese Techniken mit der KI immer mehr zusammenfließen. Dadurch werden sie besser und wichtiger und man muss sich als Gesellschaft mehr mit ihnen auseinandersetzen, als wir es aktuell tun. Wir müssen mehr debattieren, wie wir mit diesen Entwicklungen umgehen möchten, ohne dass uns aus Silicon Valley von Google oder Meta vorgegeben wird, wie wir die Techniken zu nutzen haben.

Der Journalist und Schriftsteller Christian J. Meier befasst sich in seinen Werken mit technologischen Entwicklungen. (Foto: Udo Emmerich/oh)

Also soll Ihr Buch nicht nur auf die Vorteile und Gefahren von künstlicher Intelligenz hinweisen, sondern besonders einen gesellschaftlichen Dialog anstoßen?

In erster Linie soll das Buch natürlich unterhalten und spannend sein. Es soll nicht darum gehen, die Menschen zu belehren oder zu moralisieren, aber ich denke, dass ein Thriller eine gute Erzählform ist, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und die Leute anschließend dazu anzuregen, über ihre Folgen zu sprechen.

Auf welche Vorteile und Gefahren der künstlichen Intelligenz gehen Sie denn in Ihrem Buch besonders ein?

Es geht mir in dem Buch besonders um die Intransparenz von KI. Die Entscheidungen von künstlicher Intelligenz sind häufig wie eine "blackbox" - schwer nachvollziehbar. Dieser Aspekt wurde ja auch in dem offenen Brief, in dem im April Elon Musk und andere Tech-Experten eine Forschungspause für KI forderten, betont. Die Protagonistin meines Buchs ist eine Ärztin, die nicht mehr damit klarkommt, dass die KI Entscheidungen über Patienten trifft, die sie nicht nachvollziehen kann.

Aber vor allem im Bereich der medizinischen Versorgung kann die KI enorme Vorteile mit sich bringen und Arbeitsabläufe erleichtern. Stellen Sie diese Seite im Thriller ebenfalls dar?

Ich bin auch auf die Vorteile eingegangen, künstliche Intelligenz ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Meine Thriller sind keine reinen Dystopien; sie versuchen, Zukunftsperspektiven in Grautönen darzustellen. Beispielsweise leben die Leute in meiner Geschichte länger, durch den präventiven Einsatz von KI gibt es weniger Erkrankungen. Allerdings werden die Menschen durch diese Prävention gelenkt. Einem weiteren Protagonisten fällt beispielsweise auf, dass er keine zuckerhaltigen Sachen mehr vorgeschlagen bekommt, da die KI vermeidet, dass er Diabetes bekommt. Den Vorteil der Gesundheit erkauft man sich also durch Intransparenz einer Maschine, die wie ein Gott über die Menschen bestimmt.

Neben Intransparenz geht es also auch um Fremdsteuerung und fehlende Selbstbestimmung durch KI.

Ja genau. In meinem zweiten Buch stelle ich dies im Bezug auf Wahlmanipulation dar, die den Menschen gar nicht bewusst ist.

Glauben Sie, dass diese Zukunftsperspektive, die Sie im Buch darstellen, für uns Menschen unausweichlich ist: Ein Ankämpfen gegen die Macht der KI, die Überhand nimmt?

Ich glaube nicht, dass diese Zukunftsaussicht determiniert ist. Ich denke, das haben wir Menschen in der Hand. Man darf nicht vergessen, dass die KI - zumindest noch - kein selbstständiger Agent ist, der nach eigenem Willen handelt, sondern Menschen dahinterstecken. Die EU arbeitet aktuell an Regeln für künstliche Intelligenz, um sie zu lenken. Das finde ich sehr wichtig, die Politik muss aktiv werden. Ganz ohne Risiken oder Nachteile wird es nie gehen, aber man sollte mit Lenkung versuchen, diesen entgegenzuwirken und die Vorteile ausnutzen. Natürlich verändert sich die Welt, aber wir können steuern, wie sie sich verändert. Die Entwicklung muss nicht in einer Dystopie enden.

Und wenn man jetzt, von der politischen Ebene weg, auf Privatpersonen blickt: Welche Umgangsstrategien würden Sie im privaten Umgang mit künstlicher Intelligenz empfehlen?

Vor allem sollte man beim Medienkonsum sehr kritisch sein. Man sollte sich immer wieder die Frage stellen: Kommt der Inhalt den ich gerade sehe, von einer KI? Es geht darum, sich eine gewisse Medienkompetenz aufzubauen: Auf Unstimmigkeiten in Inhalten zu achten, diese gegenzuchecken und sich nicht zu sehr auf die KI zu verlassen. Zum Beispiel in der Schule oder Uni, nicht sich einen Essay von der KI verfassen zu lassen und diesen selbstverständlich abzugeben, sondern die Fakten nochmal zu prüfen. Also die KI trotzdem zu nutzen und nicht zu verweigern, aber zu versuchen, einen souveränen Umgang mit ihr zu bewahren.

Stichwort KI in der Schule: Ihre Lesung ist für unter 18-Jährige kostenlos. Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass sich auch junge Leute mit der Thematik auseinandersetzen?

Weil dieses Thema in ihrer Lebenszeit noch mächtigen Einfluss haben wird. Ich denke es ist wichtig, sich möglichst früh mit der Thematik auseinanderzusetzen, um zu lernen, KI als Werkzeug zu benutzen und nicht als Intelligenzersatz, als Outsourcing für das eigene Gehirn. Denn bei Jüngeren ist die KI viel verwobener mit der Lebensrealität als bei Älteren, die kritische Distanz fällt schwerer. In den nächsten Jahrzehnten wird sich im technologischen Fortschritt einiges tun, dies muss auch zum Beispiel bei der Berufsplanung bedacht werden. Junge Leute müssen flexibel bleiben, denn jeder Job kann vielleicht übermorgen auch von der KI erledigt werden.

Die Lesung findet in der Buchhandlung Bücherjolle am Kirchplatz 3 in Starnberg statt. Eine Anmeldung ist unter info@buecherjolle.de möglich. Der Eintritt kostet 12 Euro, für unter 18-Jährige ist er kostenlos.

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