Amtsgericht Starnberg:Pfleger vom Vorwurf der Misshandlung freigesprochen

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Ein Kfz-Meister wehrte sich vor dem Starnberger Amtsgericht gegen einen Strafbefehl. (Foto: Georgine Treybal)

Ein 46-Jähriger soll einer demenzkranken Bewohnerin eines Pflegeheims vorsätzlich Verletzungen zugefügt haben. Doch die Beweise reichen nicht aus - und die Frage nach dem wahren Täter bleibt ungeklärt.

Von Ella Adam und Linus Freymark; , Starnberg

Die Erleichterung ist dem Angeklagten deutlich anzumerken: Er atmet auf, ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Das Amtsgericht Starnberg hat den Pfleger soeben vom Vorwurf freigesprochen, im Februar vergangenen Jahres eine damals 82-Jährige misshandelt zu haben. Der demenzkranken Bewohnerin des Starnberger Pflegeheims Rummelsberger Stift an der Waldschmidtstraße, die mittlerweile verstorben ist, waren laut Gutachter durch "stumpfe Gewalt" Verletzungen im Gesicht zugefügt worden. Gemeldet worden war dies von einem weiteren Pfleger, der seinen Dienst direkt nach der Nachtschicht des Angeklagten angetreten hatte. So war der Verdacht auf den heute 46-Jährigen gefallen.

Richter Ralf Jehle sah jedoch keine ausreichenden Beweise für die Schuld des Angeklagten. Es sei nicht nachweisbar, dass tatsächlich er die Tat begangen habe - und nicht etwa ein anderer Mitarbeiter der Einrichtung. Auch der Staatsanwalt befand, dass sich der Sachverhalt nicht so bestätigt habe wie in der Anklageschrift geschildert - und plädierte auf Freispruch.

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Am zweiten der beiden Prozesstage sagten drei weitere Pfleger des Heims als Zeugen aus, darunter einer, der am ersten Tag der Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen war. Laut Aussage des Trios sei es wiederholt zu auffälligen Hämatomen bei Heimbewohnern gekommen. Der Witwer der 82-Jährigen, der im Prozess als Nebenkläger und Zeuge auftrat, erzählte außerdem, dass die Zimmernachbarin der 82-Jährigen mehrmals über nächtliche Hilferufe ihrer Mitbewohnerin berichtet habe. Trotz wiederholter Nachfrage, so der Witwer, habe die Heimleitung es allerdings versäumt, diese Vorfälle zu protokollieren und ihnen nachzugehen.

Die geringe Beweislast führt letztendlich zum Freispruch, es bleibt eine gewisse Ohnmacht

Die damalige Heimleiterin hatte den Angeklagten mit ihrer Aussage am ersten Prozesstag in Schutz genommen: Er habe seinen Dienst stets zuverlässig verrichtet, berichtete die Vorgesetzte, es habe nie Beschwerden über ihn gegeben. Ein Rechtsmediziner hatte zudem zu Protokoll gegeben, dass die Verletzung in der Mundhöhle der 82-Jährigen durch einen Gegenstand oder einen Schlag mit Faust oder Rückhand verursacht worden waren. Allerdings ließ sich der genaue Zeitpunkt der Tat nicht mehr exakt bestimmen - sie hätte vor, aber auch nach der Nachtschicht des Angeklagten passiert sein können.

Diese geringe Beweislast führte letztendlich zum Freispruch. Zwar sei es höchstwahrscheinlich zu Gewalteinwirkung gekommen, so Richter Jehle in seinem Urteil - der Täter sei allerdings nicht mehr ermittelbar. Er betonte: "Das löst blankes Entsetzen aus, so etwas in unserem Landkreis zu wissen - in einer Einrichtung, die dafür da ist, für Menschen an ihrem Lebensabend zu sorgen. Das macht fassungslos." Der Witwer und seine Tochter zeigten sich mit dem Urteil einverstanden. Jedoch bleibe eine gewisse Ohnmacht, erklärten die Hinterbliebenen. Denn nun wird wohl nie geklärt werden, wer für die Verletzungen der Seniorin verantwortlich war.

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