Stadtentwicklung:Schanigärten statt Parkplätze

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Weniger Verkehr, dafür mehr Gastronomie, Blumen und Kultur: Der seenahe Abschnitt am Bahnhof soll zumindest vorübeergehend schöner werden. (Foto: Georgine Treybal)

Mit dem Projekt "See and the City" will Starnberg den relativ unattraktiven Bereich rund um den Bahnhof See von Mitte Mai bis Oktober aufhübschen. Auch die Bürger dürfen mitmachen - und haben nun erste Ideen eingebracht

Von Linus Freymark, Starnberg

Seit sich die Welt im pandemischen Ausnahmezustand befindet, beweisen deutsche Bau- und Stadtplanungsbehörden plötzlich erstaunliches Improvisationspotenzial. In München etwa wurde jahrelang um jeden Parkplatz gestritten, dann - kaum war die Krise da - genehmigte die Stadt den Gastronomen provisorische Schanigärten, damit die Wirte ihre Gäste draußen mit geringerem Infektionsrisiko bewirten konnten. Saufen statt parken - das war sogar in der trinkfesten, aber auch autoverrückten Nation lange undenkbar. Doch in München sind sich viele über die Sinnhaftigkeit dieses Projekts einig: Schanigärten gelten als großer Erfolg.

Auch die Stadt Starnberg springt nun auf den Improvisationszug auf und schränkt dafür - zunächst vorübergehend - den Autoverkehr ein. Von Mitte Mai bis 1. Oktober soll der seenahe Abschnitt zwischen Bahnhofplatz und Kaiser-Wilhelm-Straße deutlich ansprechender gestaltet werden. Die Flächen für Autos werden reduziert, anstelle der Betonwüste soll ein Ort entstehen, "an dem man sich gerne aufhalten möchte", wie es Sylvie Pfeifer vom Stadtbauamt ausdrückte. Dafür planen die Verantwortlichen mit einer ansprechenden Bepflanzung, Gastronomie sowie Kulturdarbietungen. Man hoffe auf "einen Sommer voller Veranstaltungen", sagte Pfeifer bei einer online abgehaltenen Bürgerversammlung am Mittwochabend, bei der Bürger ihre Vorschläge für die konkrete Flächengestaltung einbringen konnten.

Auf breite Resonanz stießen dabei die Vorstellungen des Gymnasiums Starnberg, dessen Schüler die Flächen mit künstlerisch wertvollen Graffiti verschönern wollen. Auch Vorschläge zur Nutzung der in dem Gelände befindlichen leer stehenden Ladenflächen sowie zur Installation von den - unter anderem in München erprobten und für gut befundenen - Schanigärten wurden von den Planern aufgenommen. Man arbeite daran und würde es sehr begrüßen, wenn sich diese Ideen realisieren lassen würden, hieß es. Allerdings sei man dabei abhängig von den Eigentümern, die an dem Projekt mit dem herrlich unverklemmten Namen "See and the City" entweder mitarbeiten oder zumindest ihre Flächen zur Verfügung stellen müssten. Überhaupt ist es der ausdrückliche Wunsch von Pfeifer und den anderen Verantwortlichen, die genaue Gestaltung der Flächen gemeinsam mit den Bürgern zu erarbeiten. Für weitere Anregungen sind die Planer per Mail unter der Adresse See-and-the-city@starnberg.de erreichbar.

Denn die genaue Ausgestaltung steht pandemiebedingt auch zwei Jahre nach einer ersten Machbarkeitsstudie noch nicht fest. Im Frühjahr 2020 hatte die Stadt eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die erörtern sollte, welche Flächen man wie gestalten könne. Die Marschrichtung: weniger Autos, mehr Fußgänger und Radfahrer. Im Oktober 2020 sprach sich der Stadtrat schließlich für die Umsetzung von "See and the City" aus, wegen der Pandemie konnten die Arbeiten jedoch noch nicht beginnen. Knapp 50 Zuhörer nahmen nun am Bürger-Dialog teil. Der Plan: Ab Mai soll eine Art Promenade geschaffen werden. Die Spuren für den motorisierten Verkehr werden weniger, auch die Geschwindigkeit soll reduziert werden. Im Rathaus erwägt man derzeit die Einrichtung einer Tempo-20-Zone. Der öffentliche Nahverkehr werde den Bereich aber dennoch weiterhin anfahren, versicherte Pfeifer. Auch der Taxistand bleibe bestehen, und ja: Auch für den Individualverkehr werde das Areal nicht komplett gesperrt werden.

In den nächsten Monaten wollen Pfeifer und ihre Kollegen nun die Pläne für die Gestaltung des Bahnhofareals konkretisieren. Sobald das Projekt gestartet ist, erhofft man sich Impulse dafür, wie man die Flächen auch dauerhaft gestalten könnte. Und wenn das Wetter im Frühjahr und die Pandemie mitspielen, können die Starnberger bald ebenso wie die Münchner auf provisorischen Freischankflächen die ersten Freiluftbiere des beginnenden Sommers genießen - aber anders als die Großstädter eben auch noch in unmittelbarer Nähe zum Starnberger See.

© SZ vom 28.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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