Ausstellung in Seeshaupt:Von Häusern und Farnen

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Hans Panschar arbeitet bei seinen Objekten mit starken Gegensätzen und kombiniert bisweilen Holz mit Betonguss. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Anna Maria Bellmann und Hans Panschar zeigen in der Seeresidenz in Seeshaupt ihre menschenleeren "Stadt Werke" - dreidimensional wirkende Arbeiten aus Papier und markante Holzskulpturen.

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Wer sich vom Land dem Thema Stadt anzunähern versucht, der neigt vielleicht zur romantischen Verklärung, er wird vor allem auf die Häuser schauen und nicht so sehr auf die Menschen, die im Gedränge der Stadt leben müssen. Menschenleer jedenfalls sind die "Stadt Werke" von Anna Maria Bellmann und Hans Panschar, die in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt zu sehen sind.

Die Bankkauffrau Anna Maria Bellmann aus Holzhausen fand über die Liebe zur Kunst. Für ihren Freund, der in London lebte, fertigte sie als Geschenk einen Scherenschnitt-Plan der Stadt. Jede einzelne der detailgenau übertragenen Straßen blieb als schmaler weißer Papiersteg stehen, die Zwischenräume stehen für die Häuserblocks. Nur die Gärten und Parks von London übertrug sie nicht maßstabsgetreu, sondern in einer Art Bedeutungsperspektive größer als in der Realität, denn die junge Frau, die auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, liebt die Natur und insbesondere die Pflanzenwelt.

Aus den ersten künstlerisch gestalteten Geschenken für Freunde ergaben sich bald Aufträge für weitere Papierkunstwerke, zu den Stadtplänen, hier "Stadtwerke" genannt, kamen andere Themen. In Seeshaupt zeigt Bellmann auch die "Löwenzahnwiese", den "Wald" oder den "geheimen Garten", weiße Papierbögen, die sie mit allergrößter Akribie einritzt und auffaltet, um dreidimensionale Abbildungen von Blüten, Blättern und Gräsern zu erhalten. Dabei werden Chrysanthemen, Magnolien und Clematis bis ins kleinste Detail genau dargestellt. Die vielfach wiederholten Einzelmotive fügen sich zu sorgsam angeordneten zarten Ornamentbildern, so ergeben etwa die "Falling Leaves" ein höchst dekoratives großformatiges, aber bezaubernd filigranes Mandala, bestechend durch das Schattenspiel des fein aufgefalteten Papiers. Zu den weißen Scherenschnitten kommt eine weitere Bildserie von weißen Pflanzenmotiven auf blauem Bildgrund, sogenannte Cyanotypien, Der Eisenblaudruck ist ein altes fotografisches Verfahren auf Eisensalzbasis, die feingliedrigen weißen Farne oder Schachtelhalme, die durch Abdeckungen entstehen, heben sich kontrastreich und ebenfalls sehr dekorativ vor dem typisch cyanblauen Farbton ab.

Hans Panschar war Bootsbauer, dann Schreiner, bevor er sich ganz der Kunst zuwandte - der Weg führte ebenfalls über die Liebe, diesmal allerdings über die Liebe zum Material Holz. Verschiedene Hölzer und unterschiedliche Oberflächenstrukturen reizen ihn zur Umsetzung in Skulpturen und Objekten, Bearbeitungsspuren, grobe Verletzungen mit der Kettensäge und glatte Schnittflächen oder zarte Maserungen kontrastieren ebenso miteinander wie Schwärzungen und Bemalungen mit weißer Dispersionsfarbe. Starke, nicht zuletzt haptisch erfahrbare Kontraste ergeben sich in den neueren Arbeiten auch durch die Kombination von dunklem oder hellem Holz mit Betonguss, warme und glatte Oberflächen grenzen an raue und kalte. Schiffe und Häuser sind ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten von Hans Panschar, Behausungen und zugleich Sinnbilder für den Menschen selbst und seine Reise durchs Leben. Es gibt schmale Häuser, die eng zusammenstehen, die sich auf einem hohen, steilen und gleichsam schwankenden Felsen aneinander schmiegen. Oder die Häuser, die auf einer Arche zusammengefunden haben und gemeinsam die gefährliche Überfahrt überstehen. Oder aber Häuser, die als "Dorf" mit einer Kette so eng umfasst sind, dass sie als Individuen in ihrer Unterschiedlichkeit kaum mehr zu erkennen sind. Auf dem "Bergschiff", einem steilen Felsmassiv, das aus einem massigen Schiffskörper herauswächst, steht ein einziges verlorenes Häuschen. Es sind nicht so sehr formale Fragen, denen Panschar in seiner bildhauerischen Arbeit nachgeht, vielmehr erzählen seine Objekte in einer schlichten Bildsprache Geschichten, die jeder für sich deuten kann.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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