Ausstellung:Vom langsamen Verfall fasziniert

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Peter Schallers "Buffalo Grain Elevator". (Foto: Georgine Treybal)

Peter Schaller und Andreas Huber führen unter dem Titel "Zwischenlicht" in der "Alten Post" in Seeshaupt Malerei und Fotografie zusammen.

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Der Maler Peter Schaller aus Feldafing und der Fotograf Andreas Huber aus Berg haben sich sozusagen auf halber Strecke in Seeshaupt getroffen. Unter dem Titel "Zwischenlicht" zeigen sie in der Seeresidenz "Alte Post" eine gemeinsame Ausstellung, in der es um die Schönheit des Vergänglichen geht. Entstanden ist eine spannende Begegnung zwischen Fotografie und Malerei.

Peter Schaller, 1960 in München geboren, bearbeitet seit Jahrzehnten ein einziges Thema. Bereits während des Studiums, das er Ende der 80er-Jahre bei Fridhelm Klein an der Münchner Akademie absolvierte, fand er seine bevorzugten Motive: Technische Strukturen, Eisenteile, Fundstücke und Relikte dienen ihm seither als Ausgangspunkt für seine Zeichnungen. Und lange bevor das Erkunden und vor allem Fotografieren von sogenannten "Lost Places" zum Hype wurde, interessierte er sich für aufgelassene Industrieanlagen. Auf Reisen nimmt er lange Umwege in Kauf, um Fotos in einem düsteren Hafen oder auf einem Fabrikgelände zu machen. In den USA fotografierte er beispielsweise die riesigen Getreidespeicher in Buffalo. Nach Sulzbach-Rosenberg ist er sogar eigens gefahren, um die aufgelassene Maxhütte zu fotografieren. Zuhause, in seinem Feldafinger Atelier, verarbeitet er die Aufnahmen auf der Leinwand zu gemalten Bildräumen, in denen die menschenleeren und meist dem Verfall preisgegebenen Betonbauten in vielen Abstufungen von grauweiß bis tiefschwarz aus einem dunklen Wasser oder einer öden Landschaft aufragen. Diese ebenso eigenwillige wie technisch brillante "Schwarzweißmalerei" ist längst sein Markenzeichen geworden.

Andreas Hubers "Tulpe gelb". (Foto: Georgine Treybal)

Andreas Huber, Jahrgang 1961, arbeitet seit mehr als dreißig Jahren in seinem eigenem Studio in Berg. Als Autodidakt, aber mit einer Fotoassistenz beim großen Reinhart Wolf, hat er sich im Bereich Still life, People und Architektur einen Namen gemacht. Jedes einzelne seiner Bilder ist eine durchdachte, raffiniert ausgeleuchtete Komposition. Wenn er nicht für Werbeagenturen oder Unternehmen fotografiert, widmet er sich vorzugsweise kunstvoll gestalteten Stillleben. Für diese Bilder geht er sozusagen den umgekehrten Weg wie Gerhard Richter, der mit seinen Abmalungen von fotografischen Vorlagen Kunstgeschichte schrieb. Wenn nun Huber faulende Früchte und verlöschende Kerzen in glänzenden Messingleuchtern zu Vanitas-Darstellungen arrangiert, dann sucht man auf den satten Oberflächen dieser Bilder unweigerlich nach den Spuren des Pinsels: Man hält sie für ein altmeisterliches Gemälde oder zumindest für ein abfotografiertes Gemälde. Für weitere Verwirrung sorgt eine Bildserie, für die Huber ein Glas Wasser oder ein Körbchen mit Brot auf einem mit einem weißen Leinentuch bedeckten Tisch fotografiert hat. Ein scheinbar aus dem Bildraum kommendes Licht wie in den Gemälden von Vermeer, vor allem aber die Textur des Tischtuchs macht den besonderen Reiz dieser Arbeiten aus. Vor allem der Ausdruck auf Leinwand anstelle von Papier betont die "malerische" Qualität dieser Bilder noch zusätzlich.

Andreas Hubers "Birkenwald mit roter Schaukel". (Foto: Georgine Treybal)

Fast an jeder Wand treffen sich der Maler und der Fotograf mit Bildpaaren. Zu den fotografierten vertikalen Strukturen von Birkenstämmen vor einem grau verhangenen Herbsthimmel gesellt sich eine von den horizontalen Linien einer Bahnstrecke durchzogene gemalte Industrielandschaft mit stimmungsvollem Wolkenhimmel. Neben einer von samtiger Dunkelheit umgebenen, kunstvoll im Licht inszenierten Vase mit dem Blutrot verwelkter Tulpen hängt das kleine Gemälde eines lila-orange-tonigen Sonnenuntergangs hinter einer dramatisch schwarzen Gebäudesilhouette.

Er sei fasziniert vom langsamen Verfall, sagt Peter Schaller über seine ungewöhnliche Motivwahl. Ihn interessiert die besondere Ästhetik der verlassenen Industriebauten, vor allem aber das Festhalten des Moments, in dem die Architektur "umkippt", vom schnöden, lieblos hingeklotzten Nutzbau zur geheimnisvollen Ruine wird. Es dürfte wohl eine sehr ähnliche Faszination sein, aus der heraus Andreas Huber in seinem Studio Äpfel verfaulen oder einen Strauß Tulpen in einer Vase erst dann fotografiert, wenn die Blütenblätter abfallen. Es ist ein hoffnungslos romantischer Blick, mit dem Peter Schaller Technikruinen eine seltsame, gleichsam weltentrückte Schönheit verleiht und sie als Kultstätten und Tempel des industriellen Zeitalters darstellt. Und es ist ein ebenso hoffnungslos romantischer Blick, mit dem Andreas Huber in höchstem Maß ästhetisierte Bilder von der Eitelkeit des irdischen Seins macht.

Die Ausstellung kann bis zum 19. November nur nach telefonischer Voranmeldung unter 08801-9140 besichtigt werden.

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