Einzelhandel:Wenn der einzige Supermarkt im Dorf schließt

Lesezeit: 3 min

Auf Einkaufstour: Weil die Edeka-Filiale in Seefeld umgebaut wird, fährt nun ein Bus mehrmals wöchentlich zu einer offenen Filiale nach Herrsching - und mit den Einkäufen auch wieder zurück. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einkaufen in Seefeld? Daraus wird nichts, der einzige Laden wird umgebaut und bleibt fast ein Jahr geschlossen. Für ältere Menschen ein echtes Problem. Ein Shuttle-Bus soll nun helfen.

Von Christina Rebhahn-Roither, Seefeld

Auf der Suche nach Shrimps mit Dill und Kaffee durchkämmt Maria Harth den Edeka-Supermarkt in Herrsching. Die 73-Jährige aus Seefeld mit Kurzhaarschnitt und glänzenden Schuhen schiebt den Einkaufswagen durch die langen Gänge. Mehrere Regale durchsucht sie akribisch. Farmersalat, Brot, Lachs und vieles mehr sammelt sie im Supermarkt ein. Irgendwo zwischen Obst und Gemüse, Tiefkühlabteilung und Fleischtheke erzählt sie, dass sie nicht mehr Auto fahren kann und nun auf den neuen Bus-Shuttle-Service angewiesen ist, der sie zum Einkaufen nach Herrsching bringt.

Im Edeka-Markt in Seefeld sind momentan die Bauarbeiter zugange, das Geschäft wird erweitert. Es ist bereits geschlossen, und das soll bis voraussichtlich September 2022 so bleiben. Doch was passiert, wenn der einzige Supermarkt im Dorf schließt und der alltägliche Einkauf zur Herausforderung wird?

Der Shuttle-Bus fährt mehrmals pro Woche zwischen Seefeld und Herrsching. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Den Denkanstoß für einen Busservice habe die Gemeinde gegeben, erzählt Bürgermeister Klaus Kögel, der sich für die erste Fahrt am Dienstag Zeit genommen hat. "Wir haben ja so viele Beschwerden gekriegt." Auch der Seniorenbeirat wird gefragt - und findet die Idee gut. Eine andere Lösung wäre ein Automat für Grundnahrungsmittel gewesen.

Letztendlich startete am Dienstag aber ein Busservice, der während des Umbaus vor allem ältere Personen unterstützen soll. Organisiert und finanziert wird der für Fahrgäste kostenlose Service vom Edeka-Konzern, der die Einkäufer natürlich zu einer anderen Edeka-Filiale fährt - und nicht vor die Ladentür der Konkurrenz.

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Als die Glocken der Kirchturmuhr um zehn Uhr läuten und kein Bus weit und breit zu sehen ist, schwant dem Bürgermeister, dass er und die 76-jährige Renate Braun im wahrsten Sinne des Wortes im Nieselregen stehen gelassen werden. "Das geht gar nicht." Doch mit fünf Minuten Verspätung kommt der Bus, in dem etwas mehr als 20 Personen Platz haben, am Marienplatz an.

Der Bürgermeister und Renate Braun steigen ein. Die Frau ist noch mobil und fährt Auto, ist also nicht generell auf den Bus angewiesen. Sie erzählt, dass sie versuche, viele Leute über den Bus zu informieren. Bei der zweiten Haltestelle vor dem geschlossenen Supermarkt steigen weitere sechs Senioren ein, der Ärger über die kleine Verspätung scheint bereits vergessen. Zur Größe der Gruppe bei der ersten Fahrt sagt Kögel: "Das war schon vom Auftakt her okay." Aber eine bessere Beschilderung wünscht er sich.

Am Dienstag drehte der neue Einkaufsbus seine erste Runde. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Fahrt von Supermarkt zu Supermarkt dauert mit dem Shuttle keine Viertelstunde. Zwischen Seefeld und Herrsching gibt es auch einen Linienbus, allerdings fährt dieser über Frieding und stoppt an anderen Haltestellen. Mit der Edeka-Filiale in Seefeld - wo es zwar beispielsweise noch Metzger und Wochenmarkt gibt - hat der einzige Supermarkt im Dorf vorübergehend geschlossen.

In Hechendorf gebe es gar nur einen kleinen "Tante-Emma-Laden", wie eine Frau im Bus das Geschäft nennt. Ein Halt des Shuttles in Hechendorf ist aber nicht geplant, sagt Bürgermeister Kögel. Er begründet das damit, dass die Leute sich schon vor der Edeka-Schließung überlegen und organisieren mussten, wie sie einkaufen.

Der kleine Bus ist geparkt. Bevor jeder nach Einkaufslisten oder Gedächtnis einkauft, wird noch durchgezählt und die Rückfahrt gemeinsam auf kurz nach 11 Uhr festgelegt. Dann schwirren die Fahrgäste aus. Alles in allem fühlt man sich an einen Klassenausflug erinnert.

Auch das Ehepaar Strobel ist am Dienstag dabei. Seit einem Schlaganfall kann Franz Strobel nicht mehr Auto fahren, seiner Frau Irene fehlt die Praxis. Das erzählen die beiden, nachdem sie an der Kasse bezahlt haben und auf die Rückfahrt warten. Sie sind auf den Shuttle angewiesen: "Wir hoffen, dass das nicht eingestellt wird." Dann müssten sie Nachbarn um Hilfe bitten.

Maria Harth stößt zur Gruppe vor dem Supermarkt. Die gesuchten Shrimps hat sie ergattert - wenn auch mit Knoblauch anstatt mit Dill. Das ist auch etwas, worüber sich die Gruppe unterhält: Die Produktauswahl in Herrsching und Seefeld sei nicht identisch. Außerdem müsse man sich erst wieder zurechtfinden in einem neuen Geschäft. Es sei auch eine Umstellung, große Einkäufe zu planen und nicht mehr spontan einkaufen zu können.

Die Gruppe steigt wieder in den Bus. Es ist etwas eng, doch Einkäufe und Einkäufer haben Platz. Insgesamt wirkt die Gruppe zufrieden, der Bürgermeister malt sich gar eine "Einkaufs-Community" aus. Harth ist die erste, die aussteigt. Der Fahrer legt für sie einen Extrahalt ein, damit die Einkäufe nicht so weit getragen werden müssen. "Nächste Woche komme ich nicht - ich hab' zu viel eingekauft", sagt Harth und trägt ihre Shrimps nach Hause. Sie hofft, dass sie ihr auch mit Knoblauch schmecken.

Der Bus nach Herrsching fährt jeweils am Dienstag und am Freitag um 10 Uhr und um 14 Uhr in Seefeld los. Fahrgäste können am Marienplatz und direkt vor dem geschlossenen Edeka-Supermarkt einsteigen. Rückfahrten von Herrsching gibt es um 11 Uhr und um 15 Uhr. Der Bus-Service ist für die gesamte Dauer der Umbauarbeiten geplant.

© SZ vom 27.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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