Biografie:Die Eigenwillige

Lesezeit: 3 Min.

Sophie Charlotte verbringt eine glückliche Kindheit auf Schloss Possenhofen. (Foto: Sammlung Petra Herzberg/oh)

Sophie Charlotte, die Schwester von Kaiserin Sisi, galt als Rebellin ihrer Zeit. Ihre Biografie ist nun in einer Neuauflage erschienen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Als Verlobte, aber nie mit ihm verheiratete Braut ihres Cousins, dem Bayerischen König Ludwig II., ist Sophie Charlotte in Bayern (1847 - 1897) in die Annalen der Geschichte eingegangen. Neben ihrer älteren Schwester, der österreichischen Kaiserin Elisabeth, sowie dem Märchenkönig Ludwig II. gilt sie als Randfigur. Doch Sophie Charlotte ist viel mehr als ein zufälliges Mitglied einer Familie des Hochadels, die durch Sisis Aufstieg zur österreichischen Kaiserin prominent wurde.

Ihr Leben steht dem ihrer Schwester und ihres Cousins in seiner Tragik in nichts nach, alle drei starben einen ungewöhnlichen Tod. Sisi wurde mit einer Feile erstochen, Ludwigs Tod im Starnberger See ist bis heute ungeklärt und Sophie Charlotte kam bei einem Brand in Paris ums Leben. Das ist der Stoff, aus dem Psychothriller geschrieben werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es über das Thema ein großes Angebot an populärwissenschaftlicher Literatur gibt. Der Autor Christian Sepp hat eine andere Herangehensweise. Er hält sich streng an belegbare Fakten. Als studierter Historiker habe man Verantwortung für die Persönlichkeiten, über die man schreibe, sagt er. "Es ist die Aufgabe eines Historikers, alles abzuklopfen und die Spreu vom Weizen zu trennen."

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Im Jahr 2014 ist sein Buch "Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester" erschienen, es wurde sogar ins Ungarische übersetzt. Nun hat der Münchner Autor die Biografie überarbeitet, die neu im Allitera-Verlag herausgebracht wurde.

Mit Sophie Charlotte erzählt das Buch die Geschichte der zehn Jahre jüngeren Schwester von Sisi. Sie ist ebenso hübsch wie Sisi und ist eine ebenso gute Reiterin. Zusammen mit ihren Geschwistern verbringt sie eine unbeschwerte Kindheit auf Schloss Possenhofen. Auf dieser "glücklichen Insel", wie Sepp schreibt, hat Sophie genügend Platz, um allen kindlichen Vergnügungen zu frönen, wie dem Baden und Fischen im Starnberger See oder herumzutollen mit den vielen Tieren im Park.

Sophie Charlotte ist zehn Jahre jünger als ihre Schwester Sisi. (Foto: Sammlung Petra Herzberg/oh)
Sie war eine große Hundefreundin. (Foto: Sammlung Petra Herzberg/oh)

Die Geschwister haben Klavier- und Gesangsunterricht auf Schloss Possenhofen. Als junge Herzogin entdeckt Sophie Charlotte ihre große Leidenschaft für Musik. Sie spielt gerne Klavier und hat eine schöne Sopranstimme. Sie liebt Richard Wagner, was sie in der 259 Tage langen Verlobungszeit mit Ludwig II. verbindet. Unterdessen verliebt sie sich in Edgar, den Sohn des Hoffotografen Franz Hanfstaengl. Die beiden haben eine Affäre. Das allerdings ist in der damaligen Zeit eine Beziehung ohne Zukunft.

Stattdessen wird eine Ehe mit dem französischen Adeligen Ferdinand von Alençon arrangiert. Doch wie bei ihren Eltern Herzog Max und Ludovika ist auch diese Ehe eine unglückliche. Sophie Charlotte verliebt sich Hals über Kopf in einen Bürgerlichen, den Münchner Mediziner Franz Glaeser, bei dem sie in Behandlung ist. Für ihr neues Glück will sie die Scheidung von ihrem Ehemann. Doch wenn eine Frau aus dem Hochadel im 19. Jahrhundert versucht hat, aus ihrem goldenen Käfig auszubrechen und ein eigenständiges Leben zu führen, war das nicht zugelassen. "Man ist in ständiger Überwachung und fremdbestimmt", so Sepp.

Als Prinzessin war sie abhängig vom Vater und später vom Ehemann. Ihre Flucht in die Schweiz wird vereitelt. Bekannte Nervenärzte attestieren ihr in einem Gutachten eine "sexuelle Abartigkeit". Gefälligkeitsgutachten ziehen sich laut Sepp durch die Geschichte der Wittelsbacher. Bereits ein Jahr vorher wurde Ludwig II. mit Hilfe eines psychiatrischen Gutachtens abgesetzt. Während sein Bruder Otto offenbar wirklich psychisch krank gewesen sei, werde dies bei Ludwig unterschiedlich beurteilt, sagt Sepp.

Sophie Charlotte sang ihrem Verlobten Ludwig II. sogar Arien aus den Opern Richard Wagners vor. (Foto: Leopoldinische Bildersammlung/oh)
Sophie und Ludwig waren seit ihrer Jugend befreundet - und 259 Tage verlobt. (Foto: Sammlung Jean Louis/oh)

Bei Sophie lag seiner Meinung nach keine psychische Erkrankung vor. Sie sei lediglich im Stress gewesen, unruhig und aufgebracht. "Daraus hat man ihre Krankheit gemacht." Es sei eine konstruierte Geschichte gewesen. Eine mit Konsequenzen: Sophie Charlotte landet im Irrenhaus Maria Grün in Graz. Wie Sepps Recherchen ergeben haben, gilt damals der Mann als abnorm, "welcher das Weib flieht und das Weib, welches dem Geschlechtsgenuss nachgeht". Nach mehr als sieben Monaten kehrt Sophie Charlotte wieder zu ihrem Ehemann zurück. Von da an widmet sie ihr Leben den Armen und Kranken.

Historiker Sepp entdeckte bei Ebay zufällig Briefe aus dem Nachlass von Sophie Charlotte und ihrer Familie, die er erwerben konnte. Ein "Glücksfall", sagt er. Sepp wertete das Material wissenschaftlich aus. Es war sein Anstoß, das Buch neu zu überarbeiten - die alte Auflage war ohnehin vergriffen. "Die Geschichte kann man immer wieder ergänzen, es gibt immer wieder neue Punkte."

Für den 53-Jährigen ist es wichtig, so zu schreiben, dass die Biografie auch für Laien gut verständlich ist. "Ich versuche, ein spannendes Buch zu schreiben, weil ich glaube, dass es die Person verdient", erklärt er. Im Schreiben habe er seine Profession gefunden, sagt der Historiker, der sich auf die Wittelsbacher mit Schwerpunkt Frauenpersönlichkeiten im 19. Jahrhundert spezialisiert hat. Im Jahr 2019 hat er eine Biografie über Ludovika, die Mutter von Sophie Charlotte, geschrieben. Derzeit arbeitet Sepp an einem neuen Projekt. Es geht um Caroline von Baden, die erste Königin von Bayern.

Die Neuauflage von "Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester" von Christian Sepp ist im Allitera-Verlag erschienen. 288 Seiten, 22 Euro.

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