Verkehr:"Wahnsinnig ärgerlich und ein Versagen der Politik"

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Martina Neubauer aus Starnberg pendelt mit S- und U-Bahn zur Arbeit nach München. Pünktlich kommen die Bahnen immer seltener, was die Grünen-Politikerin bedauert. Denn nur für einen verlässlichen Nahverkehr ließen die Leute das Auto stehen.

Von Christina Rebhahn-Roither, Starnberg

Die Münchner S-Bahn verkehrte zuletzt so unpünktlich wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Der MVV beschwerte sich über die Unzuverlässigkeit der S-Bahn bei der Deutschen Bahn. Martina Neubauer lebt in Starnberg und leitet am Landratsamt München das Referat für Service Wirtschaft, gesellschaftliches Engagement und Inklusion, Seniorenangelegenheiten. Die 58-Jährige ist bei den Grünen und engagiert sich politisch im Landkreis und auf der oberbayerischen Ebene als Bezirksrätin. Wie erlebt Neubauer die Verkehrsverbindung zwischen dem Landkreis und der Landeshauptstadt?

SZ: Frau Neubauer, Sie leben in Starnberg und arbeiten im Landratsamt München. Welche Rolle spielt die Münchner S-Bahn in Ihrem täglichen Leben?

Martina Neubauer: Vor den Zeiten des Home-Office bin ich fast jeden Tag mit der S-Bahn oder dem Regionalzug unterwegs gewesen. Jetzt, in Zeiten von Home-Office, nicht mehr ganz so oft. Aber im Prinzip seitdem ich beim Landratsamt München arbeite - und das ist schon richtig lang - täglich, an fünf Tagen die Woche, hin und zurück.

Die Pünktlichkeit der Münchner S-Bahn ist zuletzt auf einen so schlechten Wert gefallen, wie seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Mussten Sie wegen unpünktlicher S-Bahnen schon oft Termine absagen oder umplanen?

Tatsächlich passiert mir das immer wieder. In Zeiten des Handys und in denen man mobil arbeiten kann, ist das nicht mehr ganz so schlimm. Aber klar, super ärgerlich. Immer wenn es infrastrukturelle Probleme sind, um die wir schon lange wissen, ist es wirklich einfach wahnsinnig ärgerlich und das ist ein langes Versagen der Politik. Wenn ein menschliches Schicksal dahintersteht, ist das für mich eine völlig andere Sache.

Sind Sie bei jeder Verspätung verärgert - oder gewöhnt man sich daran und kalkuliert das einfach im Voraus schon mit ein?

Tatsächlich habe ich das Gefühl, wenn man jeden Tag fährt und im Durchschnitt hochrechnet, sind es wahrscheinlich am Tag zehn Minuten. Da gibt es dann einen Tag, wo es echt ärgerlich ist und man eine Stunde wartet. Wenn ich eine Information dazu kriege, kann ich damit auch nochmal anders umgehen. Aber es gibt Situationen wo man unter Druck ist, weil man einen Anschlusstermin hat oder ähnliches, dann ärgere ich mich auch mal. Im Grundsatz habe ich aber auch eine gewisse Gelassenheit.

Gibt es aus Ihrer Sicht Dinge, die einfach zu beheben wären und sich schnell positiv auswirken würden?

Eine große Stellschraube ist das Stellwerk München-Ost. Das ist aus den 1960er-Jahren und noch ein Relais-Stellwerk, also wirklich abenteuerlich. Da passiert immerhin was, aber das hätte man vor zehn Jahren auch schon machen können - das ist wirklich Versagen. Das Verkehrsministerium war für lange Zeit in CSU-Hand und da ist einfach nichts passiert, um gerade Metropolregionen zu unterstützen. Um die Verkehrswende und damit die Energiewende zu schaffen, braucht es eine verlässliche Infrastruktur im ÖPNV und dazu gehört in München natürlich die S-Bahn. Wenn die nicht verlässlich ist, mit einer guten Taktung und hohen Zuverlässigkeit, dann hat sie nicht den Zuspruch, den wir brauchen, um das zu schaffen. Der Verkehr spielt beim Klimaschutz eine große Rolle. Wenn die S-Bahn funktioniert, ist es noch dazu ein Luxus, sich um keinen Parkplatz kümmern zu müssen und verlässlich und pünktlich zu sein.

Sie pendeln selbst. Ist die öffentliche Anbindung nach München in Ihren Augen attraktiv genug, um Pendler und Pendlerinnen von dieser umweltfreundlichen Alternative zum Auto zu überzeugen?

Die Anbindung mit dem Bus auch an die S-Bahn ist inzwischen wirklich super, mit einem tollen Takt. Da mag ich wirklich gar nicht meckern. Wenn der 20-Minuten-Takt verlässlich ist und die Ansagen funktionieren, dann ist das für mich völlig ausreichend. Aber wenn das nicht verlässlich funktioniert, dann entsteht so ein Groll und bei dem ein oder der anderen vielleicht auch das Gefühl, doch wieder mit dem Auto zu fahren, was ich sehr schade finde. Mir geht es um Verlässlichkeit. Die Taktung ist gut bis Starnberg, wir brauchen aber den 20-Minuten-Takt auch nach Tutzing. Wir brauchen den 20-Minuten-Takt immer und an allen Enden. Wenn das verlässlich ist, halte ich das für durchaus ausreichend, auch auf den anderen S-Bahn-Achsen.

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Von Andreas Schubert

Der MVV hat sich bei der Deutschen Bahn über die Unpünktlichkeit der Münchner S-Bahn beschwert. Wie finden Sie das?

Im Grundsatz finde ich das okay, ich hätte mir das schon ein paar Jahre vorher gewünscht. Es ist tatsächlich keine neue Erkenntnis und allen Verbundpartnern bekannt, dass wir ein Infrastrukturthema haben. Aber aufmerksam zu machen, ins Gespräch zu gehen, gemeinsam Prioritäten festzulegen und das verlässlich abzuarbeiten, ist auf jeden Fall richtig und ein gutes Zeichen.

Haben Sie ein Auto?

Ich habe auch ein E-Auto.

Wie wägen Sie ab, wann Sie das Auto und wann Sie die S-Bahn nutzen?

Für den Arbeitsweg ist es in der Regel die S-Bahn und bei mir noch zusätzlich die U-Bahn. Es kann nur sein, dass ich zu einem Knotenpunkt mit dem Auto fahre, weil ich abends noch Anschlusstermine habe und dann vielleicht nicht mehr nach Hause komme. Das betrifft aber eher die Wintermonate, im Sommer sehen Sie mich zu den Knotenpunkten mit dem Rad fahren. Bei Orten, wo die Anbindung schlecht ist und ich viel Zeit aufwenden müsste, nutze ich das Auto. Aber sonst bin ich ein absoluter Fan vom ÖPNV, weil ich da etwas lesen kann und nicht im Auto hinter dem Steuer sitze. Und weil es ökologisch ist.

Wenn Sie der Münchner S-Bahn eine Schulnote geben müssten, welche wäre das?

Ich mag sie ja schon. Eine Drei plus.

© SZ vom 24.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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