Prozess:Wofür braucht man eine Feinwaage?

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Vor dem Jugendschöffengericht geht es darum, ob der Angeklagte Drogen oder Vitaminpräparate abgewogen hat

Von Christian Deussing, Starnberg

Die beiden Schüler aus dem Landkreis Starnberg hatten sich gemeinsam voriges Jahr auf das Abitur vorbereitet - und manchmal auch gekifft. Dann soll der Angeklagte bei seinem Mitschüler 500 Gramm Marihuana im Wert von 3500 Euro ohne Vorkasse bestellt haben, um den Stoff später größtenteils zu verkaufen. Die Drogen habe er im Darknet beschafft, sagte der Ex-Mitschüler am Donnerstag vor dem Jugendschöffengericht Starnberg aus. Diese Aussage des Zeugen, der im Vorjahr auch wegen weiterer Drogendelikten verhaftet worden war, bezeichnete das Gericht als glaubhaft. Der 21-jährige Angeklagte wurde daher für schuldig befunden, in größerer Menge mit Betäubungsmitteln gehandelt und diese besessen zu haben.

Es wurde aber die Jugendstrafe unter Vorbehalt für ein Jahr Bewährungszeit ausgesetzt, weil der Angeklagte sich seit der Durchsuchung seines Zimmers im vergangenen Februar offenkundig tadellos verhalten habe - und nun als Student wohl seinen Weg mache und eine "günstigen Sozialprognose" vorweisen könne. Der 21-Jährige muss aber 32 Sozialstunden ableisten, sich Drogentests unterziehen und die Suchtberatung aufsuchen.

Der Angeklagte hatte im Prozess lediglich zugegeben, nur 0,7 Gramm Marihuana für den eigenen Konsum besessen zu haben. Diese geringe Menge entdeckten bei ihm die Fahnder - aber auch eine Feinwaage, mit der er nach eigenen Angaben nur Koffein und Vitaminpräparate für sein Fitnesstraining abgewogen habe. Der Student betonte, seit dem Abi keinen Kontakt mehr zum Ex-Kumpel zu haben. Der Verteidiger vermutete, dass dieser in der U-Haft seinen Mandanten schwer belastet habe, um mit einer milderen Strafe davonzukommen. Zudem habe der Angeklagte nicht über das Geld verfügt, diese Menge an Marihuana zu bezahlen. Die Aussagen des Zeugen seien widersprüchlich, obendrein seien beim Mandanten kein Drogengeld und keine Päckchen gefunden worden.

Für Jugendrichter Ralf Jehle war dies nicht stichhaltig genug, um die Vorwürfe zu entkräften. Außerdem habe der Angeklagte genügend Zeit gehabt, den Stoff zu verkaufen und belastendes Material verschwinden zu lassen. Das Schöffengericht folgte somit dem Plädoyer der Staatsanwältin, die die Angaben des einstigen Mitschülers auch in der Verhandlung für plausibel hielt. Der Zeuge habe keinen Grund zu lügen, nachdem er bereits rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. Die Version des Angeklagten, die Feinwaage lediglich für Nahrungsergänzungsmittel benutzt zu haben, wertete sie als "reine Schutzbehauptung".

Maßgeblich waren im Prozess sicherlich auch die Erläuterungen eines Kripobeamten, der nach der Festnahme den mutmaßlichen Dealer mehrmals vernommen und dessen Handy ausgewertet hatte. Der Verdächtige habe viele Abnehmer bedient und deren Namen und Treffpunkte für die Geschäfte genau genannt, sagte der Ermittler vor Gericht. Das habe der U-Häftling auch geschafft, nachdem ihm bereits einige Monate zuvor sein Handy abgenommen worden war. In dem Gerät hatte die Kripo geheime Chats und den Kontakt zum Mitschüler identifiziert - auch ein Bitcoin-Konto hatten die Fahnder bei dem damals noch Inhaftierten entdeckt, der jetzt in Amsterdam studiert.

Der Verteidiger forderte vergebens einen Freispruch. Er geht von einer Falschaussage des früheren Schulfreundes seines Mandanten aus. Dieser wirkte während des Prozesses sehr konzentriert - wie übrigens auch die 9. Klasse einer Mittelschule. Die Jugendlichen fanden den Drogenprozess sehr spannend und interessant.

© SZ vom 21.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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