Prozess:Erschütternde Details

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55-Jähriger soll sein Kind missbraucht und fotografiert haben

Von Andreas Salch, Starnberg/München

Zehn Jahre lang wünschten sich der Angeklagte und seine Partnerin nichts sehnlicher als ein Kind. Um sich zu stimulieren, habe er auf seinem Computer Pornos angesehen, sagte der 55-jährige Projektmanager aus dem Landkreis. Mit der Zeit habe er sich "immer heftigere Stimulanzien gesucht" und sei auf kinder- und jugendpornografischen Seiten gelandet. Das Kind, das seine Partnerin gebar, soll der 55-Jährige, der sich seit Donnerstag vor dem Landgericht München II verantworten muss, im Alter von drei Jahren erstmals sexuell schwer missbraucht haben.

Von mutmaßlichen Übergriffen soll der Mann Fotos gemacht und diese über das Internet Anderen zur Verfügung gestellt haben. Außerdem legt die Staatsanwaltschaft dem 55-jährigen Mann die Verbreitung einer Vielzahl pornografischer Bilder zur Last, auf denen andere Kinder oder Jugendliche zu sehen sind.

Zu den mutmaßlichen Opfern des Mannes zählt auch seine Partnerin. Von ihr soll er über das Chatprogramm einer Internet-Tauschbörse Nacktbilder an Fremde versandt haben. Zum Auftakt der Verhandlung legte der Projektmanager ein Geständnis ab, mit der Einschränkung, dass er in vielen Fällen "unbewusst" Fotos versandt habe. Dass sich darunter auch welche befunden haben, auf denen sein Kind zu sehen ist, schloss er indes aus.

In der Anklage der Staatsanwaltschaft ist jeder der mutmaßlichen Übergriffe, jedes ihm zur Last gelegte Foto mit Datum, Kennung und Aufnahmezeitpunkt aufgelistet. Es war dem 55-Jährigen anzusehen, dass ihm bei der Verlesung der Anklage äußerst unwohl war. Oft kniff er die Augen zusammen oder stützte seinen Kopf auf die Fingerrücken seiner rechten Hand. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Vertreterin der Staatsanwaltschaft die erschütternden Details verlesen hatte.

Er sei "schüchtern und mit geringem Selbstbewusstsein ausgestattet", sagte der Projektmanager über sich. Seine Partnerin will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Auf die Spur kamen die Ermittler der Kriminalpolizei dem 55-Jährigen dem Vernehmen nach dadurch, dass er kinder- und jugendpornografische Bilder womöglich aus Versehen so ins Internet gestellt haben soll, dass jedermann sie habe abrufen können.

Auf die Frage der Vorsitzenden Richterin Regina Holstein, wie er sich seine Zukunft vorstelle, antwortete der Angeklagte. Es sei "sein Wille, die Dinge, die passierte sind, wieder gutzumachen". Was geschehen sei, tue ihm "unendlich leid". Er liebe sein Kind. "Es ist für mich der wichtigste Mensch in meinem Leben", beteuerte der 55-Jährige. Als er das erste Mal kinderpornografische Bilder im Internet aufgerufen habe, habe er sich gefragt: "Wie tief bist Du gesunken?" Warum er nichts anderes probiert habe, etwa eine Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen habe, fragte Richterin Holstein. Der 55-Jährige erwiderte ohne lange nachzudenken: "Weil ich meiner Partnerin treu bleiben wollte." Der Prozess dauert an.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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