Prozess:Der erfundene "Rudi"

Lesezeit: 2 min

Amtsgericht verurteil einen Alkoholsünder, der sich offenbar einen anderen Fahrer ausgedacht hat

Von Christian Deussing, Inning

Der Mann war betrunken und behauptete bis zuletzt, bei dem Unfall im November 2016 in Inning nur Beifahrer gewesen zu sein. Am Steuer habe jemand namens Rudi gesessen, den er nur flüchtig als Kunde gekannt habe, beteuerte der angeklagte Edelmetall-Händler. Doch ein Sachverständiger widerlegte anhand der Verletzungen die Version des Inningers, der nicht angegurtet nach einer Lokalfeier mit seinem Auto einen Zaun durchbrach und gegen eine Mauer krachte. Das Gericht zweifelte nicht daran, dass der Angeklagte damals mit knapp 2,3 Promille den Crash selbst verursacht hatte. Es ging davon aus, dass der bis heute unbekannte "Rudi" eine erfundene Geschichte sei.

Nach dem zweiten Prozesstag verurteilte Richter Franz von Hunoltstein den 51-jährigen Autofahrer wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und der Trunkenheitsfahrt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 45 Euro (4050 Euro). Er blieb damit jedoch unter dem Strafantrag des Staatsanwalts, der 140 Tagessätze zu 50 Euro gefordert hatte. Der Händler muss zudem noch für ein halbes Jahr seinen Führerschein abgeben, der ihm bereits für neun Monate wegen des Mauerunfalls an der Landsberger Straße in Inning entzogen worden war.

Dass der Angeklagte den gewissen Rudi als Kunden und Strandbar-Bekannten nicht mit Nachnamen kannte, diese Person als angeblicher Unfallfahrer nicht ausfindig zu machen war und erst ein Jahr nach dem Unfall aus dem Hut gezaubert wurde, hatte das Gericht misstrauisch gemacht. Das Unfallgutachten hingegen hielt es für absolut stichhaltig, wonach der Angeklagte selbst gefahren sein müsse. Denn der Sachverständige hatte im Prozess erläutert, dass der nicht angeschnallte Fahrer mit seinem Oberkörper durch die "Zugkraft nach rechts vorn am Airbag vorbei" gegen die Windschutzscheibe geprallt sei. Dabei hatte er zwar auch einen Beckenbruch erlitten, doch die Verletzungen wären als Beifahrer deutlich schlimmer ausgefallen, betonte der Sachverständige. Das sei wie ein "Fingerabdruck". Der angeklagte Mann sei seinerzeit der Fahrer bei einer geschätzten Aufprallgeschwindigkeit von 25 bis 30 Stundenkilometern gewesen.

Das Gericht bezog sich auch auf die Aussagen des Ersthelfers am demolierten Wagen und der Polizisten, die von einer eindeutigen Fahrersituation sprachen. Demnach habe der Betrunkene sicher allein im Auto am Steuer gesessen und den Unfall verursacht. Das zweifelten die Verteidiger jedoch an. Ihrer Ansicht nach sei die "Beweislage sehr dünn und das Gutachten nicht überzeugend". Überdies habe niemand gesehen, dass der Inninger selbst gefahren ist. Dessen Darstellung hielten die Anwälte für "plausibel" und verlangten einen Freispruch.

© SZ vom 20.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: