Pöcking:Das Multitalent der reichsten Gemeinde geht in Rente

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Zum Abschied des langjährigen Pöckinger Gemeindekämmerers Michael Schmid (zweiter von rechts) kamen nicht nur die drei Bürgermeister Wolfram Staufenberg (links), Rainer Schnitzler und Albert Luppart (rechts) ins Rathaus, sondern auch alle Gemeinderäte und die komplette Rathausmannschaft. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nach 46 Jahren in der Rathausverwaltung kann Kämmerer Michael Schmid vorzeitig den Ruhestand genießen. Seine Nachfolgerin ist Sonja von Daake.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Michael Schmid hat sein gesamtes Berufsleben in der Pöckinger Gemeindeverwaltung verbracht, insgesamt 46 Jahre, davon 28 Jahre als Kämmerer. Nun geht er in den Ruhestand. "Der Michi war immer da", sagte Bürgermeister Rainer Schnitzler bei seiner Verabschiedung am Dienstag, "wir werden sein Wissen vermissen". Viele Millionen Euro sind durch die Hände des Kämmerers gegangen, "und am Ende des Jahres blieb meist mehr übrig als zunächst geplant", sagte Schnitzler.

Im Gegensatz zu Schmids Ruf als äußerst korrekter Zahlenmensch stand sein Schreibtisch: Dort herrschte meist legendäres Chaos, das Schnitzler als "Aktendurcheinander" bezeichnete. Mancher Gemeinderat, der beim Kämmerer Informationen einholen wollte, soll sich gefragt haben, wo "unter dem ganzen Verhau" eigentlich die vielen Millionen der Gemeinde versteckt seien, sagte Vize-Bürgermeister Albert Luppart. "Chaos ist die Eigenschaft von genialen Leuten", erklärte dazu Pöckings Ehrenbürger Ralf Kirberg. Der ehemalige Geschäftsführer der Leasing-Gesellschaft LHI hatte Schmid kurz nach der Wiedervereinigung kennengelernt, als er für seine in Berlin ansässigen Unternehmen eine neue Bleibe suchte.

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Im Gespräch mit dem damaligen Bürgermeister Konrad Krabler sei diskutiert worden, wie weit die Gemeinde ihren Gewerbesteuer-Hebesatz absenken könne, um das Unternehmen ins oberbayerische Pöcking zu locken. Schmid, als Kämmerer erst kurz im Amt, habe dabei stets in Windeseile Zahlen und Fakten errechnet, erinnerte sich Kirberg, der die Wiedervereinigung als größten Gewinn für Pöcking bezeichnete. Dank der Steuerbeiträge der LHI in Millionenhöhe wurde Pöcking zur reichsten Gemeinde in der Region.

Ehrenbürger Ralf Kirberg - hier mit einem Werk des Künstlers Helmut Amann - verdankt die Gemeinde Pöcking ihren Wohlstand: Er war einst Vorsitzender der LHI-Leasing-Gesellschaft. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Schmid schöpfte als Kämmerer lange aus dem Vollen, bis die Banken das viele Geld nicht mehr annehmen wollten und Strafzinsen verlangten. Im Jahr 2021 ging die Greensill-Bank pleite. Pöcking hatte, ebenso wie 50 andere Kommunen, Geld bei der Bank angelegt. Laut Schnitzler hatte der Bankberater damals behauptet, Greensill sei mit einem sicheren "aaa"-Rating eingestuft, obwohl es längst auf "b" abgesunken war. Der Skandal ist bis heute nicht aufgearbeitet. Offen ist, ob Pöcking wenigstens einen Teil der fünf Millionen Euro, die bei Greensill angelegt wurden, jemals wiedersieht. Für Schmid jedenfalls war der Greensill-Skandal "der absolute Tiefpunkt" seiner Karriere: Nächtelang habe er nicht schlafen können.

Durch die Pleite der Greensill Bank hat Puchheim zwei Millionen Euro verloren. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Der 63-Jährige geht jetzt in den Ruhestand, seine Entlassungsurkunde erhält er im April

Seit seinem Dienstantritt 1977 wurden dem Multitalent Schmid verschiedene Aufgaben übertragen: Vor 35 Jahren trieb er die Umstellung auf EDV voran und war stets zur Stelle, wenn es ein IT-Problem gab. 22 Jahre lang war Schmid auch Standesbeamter. In dieser Zeit verheiratete er mehr als 400 Brautpaare, manche davon sogar mehrmals. Einmal sei es ihm sogar passiert, dass er die Braut mit dem Namen der Ex-Partnerin des Bräutigams angesprochen habe, verriet Schnitzler. Und weil der Anzug "nie sein bevorzugtes Kleidungsstück" gewesen sei, sei er nach jeder Trauung stets nach Hause gegangen, um sich umzuziehen.

Weil den Pöckingern Schmids Wohnung in der Nähe des Rathauses bekannt war, seien sie sogar an Sonntagen zu ihm gekommen, um ihren Pass für den Urlaub verlängern zu lassen. "Das ist ein Service, den kriegt man nur in einer kleinen Gemeinde", sagte Schnitzler. Er betonte, dass Beamte in kleinen Kommunalverwaltungen keine Zeit zum Däumchen drehen hätten, wie dies oft von Bürgern unterstellt werde. Da Schmid in all den Jahren viele Urlaubstage ungenutzt verstreichen ließ und viele Überstunden ansammelte, kann der 63-Jährige schon jetzt den Ruhestand genießen, obwohl er offiziell erst im April 2024 seine Entlassungsurkunde erhält. Weil Schmid nach eigenem Bekunden "quasi mit der Arbeit verheiratet ist", weiß er noch gar nicht, was er nun mit seiner Freizeit anfangen soll: "Ich habe mich noch nicht orientiert."

Sonja von Daake ist die neue Kämmerin der Gemeinde Pöcking. Sie tritt die Nachfolge von Michael Schmid an. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seine Nachfolge als Kämmerin tritt Sonja von Daake an. Die 46-Jährige aus Tutzing ist Bankfachwirtin und hat früher bei der Stadt Starnberg gearbeitet. Sie werde es nicht mehr so leicht haben, wie ihr Vorgänger, prognostizierte Schnitzler: Die Zeiten hätten sich geändert.

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