Pfusch beim Auszählen:Starnberg wählt Stadtrat komplett neu

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  • Beim Auszählen der Starnberger Stadtratswahl 2014 wurde geschlampt.
  • Wahlzettel und Stimmen konnten nicht zugeordnet werden.
  • Wohl am 19.April kommt es zu einer Neuwahl.

Von Peter Haacke, Starnberg

Die Wahlberechtigten der Kreisstadt dürfen den Starnberger Stadtrat komplett neu wählen: In der zweiten Aprilhälfte - aller Voraussicht nach am Sonntag, 19. April - wird die Abstimmung über die 30 zu vergebenden Mandate stattfinden. Unter Leitung von Alt-Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger tagte am Mittwoch der Wahlausschuss der Stadt Starnberg, der für den Urnengang im März 2014 verantwortlich war, in der Schlossberghalle und stellte einhellig fest, dass die Voraussetzungen für eine Neuwahl vorliegen. Eine Nachwahl ist nicht möglich, weil die Bewerberlisten vom März 2014 durch Nachrücker nicht aufgefüllt werden können. Der erneute Urnengang ist notwendig geworden, weil es im Frühjahr bei der Auszählung in fünf Wahllokalen zu entscheidenden Unregelmäßigkeiten gekommen war: Das Landratsamt hatte das Wahlergebnis nach monatelanger Prüfung moniert und den Stadtrat im Dezember aufgelöst.

Das Ergebnis nach Prüfung der Wahlvorschlagslisten aller acht bislang im Stadtrat vertretenen Gruppierungen war eindeutig: 19 Bewerber von insgesamt fünf Parteien - CSU (5), SPD (1), UWG (3), BMS (2) und WPS (8) - erklärten den Rücktritt von ihrer Kandidatur, drei haben ihre Wählbarkeit durch Umzug verloren, einer ist verstorben und Bürgermeisterin Eva John (BMS) steht ohnehin nicht zur Wahl. Vier Rücktrittserklärungen waren unwirksam. Die Lücken auf den Bewerberlisten zum Stadtrat vom März 2014 aber waren insgesamt nicht zu füllen, somit sind die Voraussetzungen für eine Nachwahl entfallen. Einzig die Bewerber von B'90/Grüne, FDP und Bürgerliste verzichteten auf Rücktritte.

Im Rathaus hatte man offensichtlich mit größerem Publikumsinteresse gerechnet; vorsorglich war der Große Saal der Schlossberghalle für die öffentliche Veranstaltung reserviert worden. Letztlich fanden sich aber nur rund 20 Interessierte ein: Überwiegend Vertreter der politischen Gruppierungen und Bürgermeisterin John, aber auch Gerhard Hertlein und Ariane Wiedmann von der Kommunalen Rechtsaufsicht am Landratsamt, die der Veranstaltung aufmerksam folgten. Das Landratsamt will noch bis zum Ende dieser Woche den Wahltermin festlegen.

Neben den Feststellungen zu Wahlvorschlägen, Rücktritten, Verlust der Wählbarkeit und Nachrückern, die allesamt einstimmig vom Ausschuss abgesegnet wurden, befasste sich das siebenköpfige Gremium auf Anregung von Christoph Bail auch mit der Frage, "wie man derartige Probleme in Zukunft vermeiden kann". Er regte an, dass man sich über das "Verhalten einiger Wahlvorstände Gedanken machen" müsse, die sich nur unzureichend auf die Wahl vorbereitet hatten: Der Mann habe offensichtlich das "Verfahren nicht verstanden", zumal er auch bei der Schulung nicht dabei war. Gleichwohl habe der Betreffende anschließend "erhebliche Proteste" geltend gemacht. Zwar nannte Bail keine Namen, doch in Erinnerung dürfte WPS-Stadtrat Thomas Ledergerber geblieben sein, in dessen Bezirk anfangs sogar mehr als 5000 Stimmen gefehlt hatten.

Einhellig stellte das Gremium am Mittwoch fest, dass im April Neuwahlen zum Stadtrat in der Kreisstadt stattfinden müssen. (Foto: Georgine Treybal)

Sein Befremden äußerte Bail auch über die Begleitumstände bei Sitzungen des Wahlausschusses: Hier war es durch Außenstehende teilweise zu "massiven Anschuldigungen gegen den Leiter des Wahlausschusses" gekommen, und auch bei der Nachzählung sei - vor allem durch Vertreter einer bestimmten Gruppierung - "erheblicher Druck ausgeübt worden". Bail plädierte dafür, Bewerber für den Stadtrat künftig nicht mehr als Wahlhelfer in die Pflicht zu nehmen. "Es ist wichtig, dass die wirklich neutral sind", sagte Bail.

Dem widersprach Pfaffinger. In den vergangenen Jahren sei es immer schwieriger geworden, geeignetes Personal zu finden, das das Auszählen - oft genug bis tief in die Nacht - ehrenamtlich stemmt. Grobe Fahrlässigkeit bei der Auszählung sei nicht erkennbar gewesen, eine absichtliche Manipulation schloss Pfaffinger aus. Gleichwohl gebe es kein Allheilmittel: "Da können wir lange darüber diskutieren, was man besser und sicherer machen kann", sagte der Alt-Bürgermeister. "Aber wenn wir keine Kandidaten mehr als Wahlhelfer heranziehen, können wir aufhören." Er plädierte dafür, es bei einem Appell zu belassen. Unterstützung kam auch von Günther Link: Man solle "die Sache nicht leicht nehmen", sagte er, aber es sei eben auch nie auszuschließen, dass Pannen passieren. Sein Appell an alle, die Verantwortung tragen für EDV und Wahlhelfer: "Versuchen Sie alles, was an Fehlern passieren kann, zu bereinigen."

Zur Erinnerung: In insgesamt fünf von 31 Starnberger Wahllokalen war es im März 2014 zu letztlich unplausiblen Abweichungen gekommen. Herkunft oder Verbleib von acht Wahlzetteln mit insgesamt 240 Stimmen konnten nicht geklärt werden; allein 40 Stimmen hätten zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat geführt.

© SZ vom 22.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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