Pandemie:Spaß nur im Traum

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In 100 Aufsätzen und Bildern zeigen Tutzinger Kinder eindrücklich, wie sie die Corona-Zeit erlebt haben

Von Jessica Schober, Tutzing

"Ich war traurich in homeskuling weil ich nichmehr meine Klasse sen konnte." So herzzerreißend beschreibt ein Grundschulkind seine Erfahrungen während der Corona-Pandemie. In rund 100 Aufsätzen und Zeichnungen berichten Kinder der Tutzinger Grundschule, wie sie die vergangenen anderthalb Jahre erlebt haben. Die Skizzen und Notizen sind Dokumente einer Zeit, die vor allem den Jüngsten viel abverlangte. Die Idee, die Kinder selbst zu Wort kommen zu lassen, hatte die Zweite Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (CSU). "Wie ging es mir mit Corona?", lautete die Frage in der unangekündigten Aufgabenstellung für die Schüler. Die Arbeiten stammen aus dem Juni, sie wurden anonym abgegeben und von den Lehrkräften nicht benotet oder bewertet.

Traurige Zeit: Tutzinger Schulkinder, darunter die siebenjährige Annika, haben in Zeichnungen festgehalten, wie es ihnen in der Pandemie erging. (Foto: Geogine Treybal)

"Es ist faszinierend zu sehen, wie reflektiert die Kinder mit der Pandemie umgehen", sagt Dörrenberg. Die gesammelten Aufsätze hätten sie persönlich berührt, erzählt die Großmutter von sechs Enkelkindern. Sie räumt Fehler im Krisenmanagement der Politik ein. "Wir haben viel über die Kinder geredet, aber nicht mit den Kindern. Da haben wir Nachholbedarf". Viele Schüler hätten sich auf den Zeichnungen stets in geschlossenen Räumen und Häusern gemalt. Auf einem anderen Bild ist ein Pferd durchgestrichen, weil das Reiten ausfiel. Vor allem berichten die Kinder von der Isolation. "Es tat mir wirklich in der Seele weh, von Scheidungskindern zu lesen, die wegen Corona den anderen Teil der Familie nicht sehen konnten", sagt Dörrenberg. Ein Kind schrieb: "Ich hatte Träume da hatte ich Spaß mit meinen Freunden". Aber "Masken sind doof" oder "Zuhause gab es nur Streit" ist auch zu lesen. Dörrenberg sagt schmunzelnd, sie habe auch noch nie so viele unterschiedliche Schreibweisen für Wörter wie "Inzidenz" oder "Quarantäne" gelesen.

Manch ein Viertklässler bleibt optimistisch: "Ich glaube das Corona mir geholfen hat, denn im Homeschooling habe ich gelernt strukturierter, geplanter und ordentlicher vorzugehen." Länger ausschlafen zu können, früher spielen zu können oder dass Papa im Home-Office mehr Zeit daheim verbringt, nannten Kinder als Krisengewinne. Manch ein Grundschüler freute sich auch über neuangeschaffte Hunde, Katzen und Kaninchen. "Es war gut für die Umwelt, weil weniger Flugzeuge fliegen", heißt es in einem Aufsatz. Und wer hätte erwartet, einmal so erfrischend zu lesen: "Ich libe die Schule".

Vor allem berichten die Kinder von der Isolation. (Foto: Georgine Treybal)

Entstanden war die Idee zur Sammlung des Kinderkummers auch als Antwort auf eine politische Aktion von Kritikern der Coronamaßnahmen. Eltern hatten im vergangenen Winter einen Berg Kinderschuhe vor der Schule aufgehäuft. Die Aktion löste heftige Kritik aus. Rückblickend sagt Dörrenberg über die Veranstalter der unangemeldeten Aktion: "Man wollte es nicht wahrhaben, dass diese Schuhinstallation auch jüdische Mitbürger betroffen machen könnte". Die gesammelten Pandemieerfahrungen will sie nun an Kultusminister Michael Piazolo weiterleiten. "Wenn nochmals ein Lockdown kommen sollte, dann dürfen wir die Familien nicht vergessen", sagt auch Bernd Pfitzner (Grüne), dessen Tochter ebenfalls einen Aufsatz schrieb. "Wir müssen verhindern, dass die Schulen im Herbst wieder schließen. Und wenn es die Voraussetzungen für Präsenzunterricht schafft, dann sollten wir als Gemeinde auch Luftfilter anschaffen".

© SZ vom 17.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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