München:Viele offene Fragen

Lesezeit: 2 min

Juristische Aufarbeitung eines Elektroboot-Brands in Starnberg geht weiter. Oberlandesgericht vertagt Entscheidung

Von Stephan Handel, München

Der Bootsbrand an der Starnberger Nepomukbrücke aus dem Jahr 2012 harrt weiterhin seiner juristischen Aufarbeitung: Das Oberlandesgericht (OLG) rief zwar am Mittwoch die Berufung der klagenden Versicherungen gegen ein Landgericht-Urteil auf, vertagte sich aber nach kurzer Verhandlung. Nun will der 7. OLG-Senat zunächst über offene Rechtsfragen entscheiden und am 31. Oktober verkünden, ob und wie es weitergeht.

Der Brand ereignete sich am 27. August 2012: Ein 6,5 Meter langes Elektroboot lag in der Nähe der Bootswerft Rambeck am Ufer, um die Akkus aufzuladen. Die Ursache für das Feuer ist unstreitig: ein überhitzter Akku-Block. Allerdings streiten Kläger und Beklagte über den Grund für diese Überhitzung: die Versicherungen behaupten, die Elektroinstallation sei mangelhaft und unfachmännisch gewesen; Sicherheitsbestimmungen seien missachtet worden. Der Bootsbauer hingegen sagt, die Elektroanlage sei manipuliert worden: Ein so genannter FI-Schalter, eine Art Sicherung gegen fehlerhaften Stromfluss sei mit Draht und Tesafilm überbrückt worden, so dass seine Schutzfunktion nicht mehr wirkte. Das Boot brannte total aus, das Feuer konnte schließlich nur durch seine Flutung gelöscht werden. Der Neuwert betrug 200 000 Euro, die die Versicherungen an den Besitzer auch bezahlten.

Per Klage vor dem Landgericht wollten sie das Geld dann vom Hersteller des Bootes zurückholen - jedoch ohne Erfolg: Die Kammer stützte ihr Urteil maßgeblich auf das Gutachten eines Sachverständigen. Dieser hatte auf 237 Seiten dargelegt, warum seiner Meinung nach die Manipulations-Variante die zutreffende sei: Der FI-Schalter im Boot sei auf amateurhafte Art, mit Tesafilm und Draht, überbrückt und damit außer Funktion gesetzt worden. Der Urheber dieser brandgefährlichen Veränderung, so der Gutachter, könne "kein fähiger Elektriker gewesen sein, ein Elektromeister würde bei derartigen Fehlern seine Zulassung verlieren". Nach dieser Einlassung wies das Landgericht die Klage ab.

Ein FI-Schalter spielte auch eine Rolle in der Berufung am OLG - allerdings ein zweiter, nicht der im Boot: Die klagenden Versicherungen weisen nun darauf hin, dass sich eine zweite solche Sicherung an Land, also an der Steckdose befunden habe. Selbst wenn die Sicherung im Boot außer Betrieb gewesen wäre, hätte die andere bei einem Fehlerstrom auslösen müssen. Außerdem passe das Brandbild nicht zu der Theorie des Gutachters: Wenn das Feuer im FI-Schalter entstanden wäre, müsste dieser von innen heraus verbrannt sein, was aber nicht der Fall sei.

An dieser Stelle entspann sich in der Verhandlung eine Diskussion um den juristischen Begriff der Präklusion, er bedeutet, dass Sachverhalte vom Gericht nicht berücksichtigt werden müssen, wenn eine Partei sie zu spät vorträgt. Haben also die Kläger das, so der Vorsitzende, "FI-Problem" verspätet angesprochen? Oder waren sie rechtzeitig dran, aber das Landgericht ist im Urteil nicht genügend darauf eingegangen? Dann wäre die Entscheidung eventuell fehlerhaft.

Einig waren die Anwesenden nur darin: dass sie alle Juristen seien und keine Elektriker. Nun ist die Frage, ob zu der FI-Frage noch einmal Beweis erhoben werden muss. "Vom Bauchgefühl her schon", sagte Martin Kainz, der Vorsitzende Richter. "Aber Bauchgefühl ist in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehen." Deshalb wird er nun mit seinen Beisitzern bis Ende Oktober beraten, ob der FI-Schalter das Landgericht-Urteil erschüttern kann. Davon wird abhängen, ob weiterverhandelt oder ob die Klage auch in der Berufung abgewiesen wird.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: