Herrsching:Ist da jemand?

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Manfred Fuchs aus Herrsching ist pensionierter Bauleiter. Durch die Bundeswehr kam er zum Funken und hat seitdem nicht damit aufgehört. (Foto: Georgine Treybal)

Im Zeitalter von Internet und Handy scheint Amateurfunk überholt. Manfred Fuchs vom Herrschinger Ortsverband hat damit schon Leben gerettet. Über ein außergewöhnliches Hobby, das sich wie eine Schatzsuche anfühlt.

Von Ella Adam, Herrsching

Delta-Lima-Acht-Mike-Foxtrott-Lima, kurz DL8MFL, sitzt in einem weißen Zelt bei Andechs vor meterhohen Antennen. Vor ihm auf einer Bierbank stehen Geräte mit vielen Schaltern und Reglern, ein Mikrofon, ein Laptop. DL8MFL drückt ein paar Tasten, dreht an Rädchen, bedient Knöpfe. Er kennt Leute, die haben schon König Hussein von Jordanien erreicht. Vielleicht findet er ja noch einen anderen Monarchen. Aber nichts passiert. Es bleibt still. Doch auf einmal ertönt aus dem Rauschen eine Stimme.

DL8MFL mag nach dem Namen eines Außerirdischen klingen, doch es ist das Rufzeichen von Manfred Fuchs. Alle Funker haben eines, um Person und Funkstelle identifizieren zu können. Fuchs ist Zweiter Vorsitzender des Herrschinger Ortsverbands der Amateurfunker. Er trägt ein helles T-Shirt mit seinem Rufzeichen drauf, dazu Schnurrbart. Seit Jahrzehnten funkt Fuchs in die Welt, länger als es den Herrschinger Ortsverband gibt - und der feiert heuer sein 30-jähriges Bestehen.

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Funk ist eine Art der drahtlosen Informationsübertragung. Dabei brauchen Sender und Empfänger jeweils eine Antenne, die die zu übertragende Information in elektromagnetische Wellen im Radiofrequenzbereich umwandelt. Die Antenne des Empfängers übersetzt diese Wellen wieder zurück in die ursprüngliche Form: zum Beispiel in Ton oder Bild. Diese Technologie wird für Radio und Fernsehen eingesetzt, aber auch im Flugverkehr. Manfred Fuchs hat im Funk ein Hobby gefunden, das theoretische Physik und praktische Technik vereint. Dabei geht es ihm weniger um Informationsübertragung, als vielmehr um eine Schatzsuche.

Beim Morsen müsse man die Melodie erkennen, sagt Fuchs

Das erste Mal funkte Fuchs bei der Bundeswehr in Landsberg, wo die Pershing 1 installiert war, eine Atomrakete des Kalten Krieges. Als ausgebildeter Fernmelder war es seine Aufgabe, mit anderen Raketenstationen zu kommunizieren. Er kaufte sein erstes Funkgerät aus dem Quelle-Katalog und legte die Prüfung zum Amateurfunker ab.

Morsen kann der Herrschinger auch. Im Zelt bei Andechs nutzt er eine kleine Taste, um mit Piep-Geräuschen Wörter und Sätze zu bilden. "Man muss die Melodie erkennen", erklärt er, "auf keinen Fall anfangen, die einzelnen Buchstaben abzuschreiben, das dauert zu lange".

Billige Ausrüstung für Amateurfunk sei schon ab 30 Euro zu haben, erzählt Fuchs. Es geht aber auch deutlich teurer. (Foto: Georgine Treybal)

Er besuchte Messen, bastelte an seinen Geräten, nahm sie mit in den Urlaub und funkte von seinem Wohnmobil aus in die Welt. Was ist daran so reizvoll? Es gibt schließlich Handys, um sich zu verständigen. "Aber nicht ohne Strom", wirft Fuchs ein. Und auch nicht ohne das Telefonnetz. Beides bricht manchmal ein, was verheerende Folgen haben kann, wie jüngst beim Waldbrand auf Hawaii. Amateurfunker sind daher verpflichtet, in Notsituationen wie Bränden, Stromausfällen oder Fluten bei der Kommunikation zu helfen, wenn alle anderen Mittel ausgefallen sind. Befindet sich ein Land im Krieg, ist es Amateuren dort verboten, zu funken, weil sie sonst Militärfunker stören oder abhören könnten. "Wir hören ab und zu Militärfunk aus der Ukraine", erzählt Fuchs, "aber wir verstehen natürlich nix".

Auch im Kleinen kann Amateurfunk Leben retten. Einmal hörte er einen Notruf aus den Niederlanden. Der holländische Funker war aus seinem Rollstuhl gefallen und hatte sich verletzt. Ein Telefon war für ihn nicht zu erreichen, also versuchte er es über Funk - und erreichte Fuchs, der einen Krankenwagen für den Holländer rief.

Heute ist es kein Notfall. Fuchs dreht weiter an den Knöpfchen und drückt ein paar Tasten. Dann ist da wieder die Stimme, erst unverständlich und verzerrt, dann klar. "Hier ist Delta Lima Vier Foxtrott Alpha Tango Portabel." Leider ist das nicht das Rufzeichen eines funkenden Königs aus dem Nahen Osten, sondern von Wolfgang aus der Rhön, der aus seinem Wohnmobil sendet.

Außer den Notfällen geht es auch um Völkerverständigung. Klar kann man mit dem Handy in alle Ecken der Welt telefonieren. Aber eben nur, wenn man die richtige Nummer hat. Das ist beim Funken anders, sagt Fuchs, viel spannender. Natürlich kann man die Ausrichtung und Länge der Antenne verändern, und auch die Frequenz. Aber ganz genau weiß man eben nie, wo das eigene Signal landet - und schon gar nicht bei wem.

Manfred Fuchs hat auch schon Astronauten angefunkt

Zwei Millionen Amateurfunker gäbe es weltweit, so Fuchs, fast ausschließlich Männer. "Wenn mal eine Dame dran ist", erzählt er augenzwinkernd, "wird die wie ein rohes Ei behandelt". Er hat schon mit Funkern aus der ganzen Welt gequatscht: aus Kengali, New York und Kanada. Einmal sogar mit Astronauten einer Raumfahrtmission.

Worüber unterhält man sich mit Astronauten oder König Hussein? "Ja guad, auf alle Fälle übers Wetter." Echt jetzt? Ja, sagt Fuchs. Während des Kalten Krieges war es verboten, über Politik zu sprechen, erzählt er. Diese Regel gilt auch heute noch. Politik und Religion führen zu schnell zu Streit. Außerdem tauscht man zum Beispiel Rufzeichen, Signalstärke und Standort aus, erklärt DL8MFL. Dafür gibt es international geltende Kürzel: 55, zum Beispiel für "Viel Erfolg" oder 99 für "Verschwinde". Das habe er schon öfter verwendet.

Überall, wo es gute Technik gibt, gibt es auch Störenfriede. Es gäbe immer mehr Menschen, die sich ein billiges Funkgerät aus China bestellten, um den Funkverkehr zu stören. Indem sie ins Mikro rülpsten zum Beispiel. Dieses Funken ist allerdings oft ohne Lizenz, erklärt Fuchs, und somit nicht erlaubt. Fuchs zuckt mit den Achseln: "Ich bin so der Typ, ich will immer was rauskriegen." Ein paar der Störenfriede habe er schon aufgespürt und der Polizei sowie der Bundesnetzagentur gemeldet.

Wolfgang aus der Rhön ist kein Störenfried, sondern ein redseliger Rentner im Urlaub. Er und Fuchs informieren sich gegenseitig über Höhenmeter, Antennenlänge und natürlich das Wetter. Dann wünscht Wolfgang "noch viel Spaß und viele Verbindungen." "Servus, 73", erwidert Fuchs. Er schickt also viele Grüße. Die Zahlencodes werden nicht nur gefunkt, sondern stehen auch auf Autokennzeichen der Herrschinger - aus Liebe zu ihrem Hobby. Zudem gibt es auch Buchstabencodes wie QRT. Das bedeutet: Beendigung des Sendebetriebs.

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