Kultur:Die Kabarettvorlesung

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Ein Oberlehrer erklärt die Welt: HG Butzko bei seinem Auftritt im Gautinger Kulturhaus Bosco. (Foto: Georgine Treybal)

Oberlehrer HG Butzko zeigt "Menschliche Intelligenz" im Gautinger Bosco.

Von Gerhard Summer, Gauting

Der Mann mit Käppi hat ein Wahnsinnstempo drauf. Hans-Günter Butzko lehnt an dem Bistrotisch, der auf der Bühne des Gautinger Bosco steht, nimmt ab und zu einen Schluck aus seinem Seidel und redet wie ein Wasserfall. Knapp zwei Stunden geht das dahin, ohne einen einzigen Versprecher. Hat der Sprechperlen genommen? Nein, Butzko ist ein Naturtalent. Wenn man dem in der Kneipe begegnen und gerne zu Wort kommen würde, müsste man ihm Johanniskraut in den Bierkrug schmuggeln.

Dabei ist es nicht so, dass dieser Butzko nichts zu sagen hätte. Oh nein, im Gegenteil: In seinem Programm "Menschliche Intelligenz" geht es ums große Ganze: um Religionen, Terrorismus, den Rechtsruck in Deutschland und vor allem darum, wie alles zusammenhängt und warum es sich lohnt zu differenzieren. Und weil der Kabarettist und Freigeist aus Gelsenkirchen ein Freund bildhafter Vergleiche und ein Anhänger der Dialektik ist, gelingen ihm Sprüche, die man sich sofort an die Wand nageln könnte. Die USA - seit Donald Trump das "Land der unmöglichen Begrenztheiten". Die sozialen Medien - der Plattform der Kopflosen, denn "früher hatte jedes Dorf einen Depp, Facebook heißt, dass die sich jetzt unterhalten". Die Folgen der Agenda 2010 - "die Reichen werden reicher, die Armen auch", allerdings nur zahlreicher. Ja, Butzko formuliert süffig. Er redet Klartext, er benutzt Florett und Dampfhammer zugleich.

Sein Leitmotiv lautet: "Und dann verwechseln mich wieder welche mit einem Proktologen." Einem Arzt also, der Erkrankungen des Enddarms behandelt. Oder der, was in diesem Fall gemeint ist, Mails von, pardon, Arschlöchern bekommt. Bei all dem setzt Butzko aufs Überraschungsmoment. Wenn seine abstrakten Argumentationsketten lang und länger werden, als er über Terror, Amokläufer und Koranleser referiert, landet er blitzartig auf dem Boden: "Psychoterror, das gibt's bei Seitenbacher Müsli", sagt er. Das verstehen alle, die ein Radio zu Hause haben. Oder: Butzko liest Stellen aus dem Koran vor, beispielsweise zum Verschleierungsgebot, und sagt dann: Ach, herrje, jetzt habe er sich vertan, das steht ja in der Bibel!

Das alles ist geistreich und oft sehr witzig, der Applaus rauscht gewaltig. Trotzdem hat dieser Abend Züge einer ermüdenden Vorlesung. "Wer mehr Bildung will, muss Klugscheißer ertragen", sagt er einmal. Klar, das ist es: Butzko, der Oberlehrer der Nation, gibt eine Unterrichtsstunde, da muss man durch. Leider hat seine Suada aber Längen, denn natürlich ist nicht alles brandneu, was er so vorträgt. Dass Beatrix von Storch an der Computermaus abgerutscht ist - geschenkt. Oder dass "wir alle dafür zahlen", vor der Kirche "zu Kreuze zu kriechen" - ja, okay.

Einmal lässt er die AfD zu Wort kommen, die nicht so recht weiß, was sie wütender macht: Anschläge oder die Aasgeier-Berichterstattung darüber. Denn letztlich unterstützten deutsche Nachrichtenredaktionen indirekt den Terror. Stopp, herrje: Das war nicht die AfD, das hat Butzko gesagt, gelegentlicher Großmeister der Differenzierung. Da muss man sich doch an den Kopf fassen.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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