Krailling/München:Mangelhafte Kontrollen

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Im Technosan-Prozess fällt am Montag wohl das Urteil

Von Christian Deussing, Krailling/München

Er gehörte zu den innovativen Vorzeige-Unternehmern in der Abfallbranche. Nun droht Alexander C., dem Gründer der Kraillinger Firma Technosan, nach 62 Prozesstagen eine mehrjährige Gefängnisstrafe wegen illegaler Entsorgung von Industriemüll und Betrugs in mehr als 200 Fällen. Das Urteil will am kommenden Montag das Landgericht München II fällen, das seit 18 Monaten versucht hat, in einem komplizierten Verfahren die offenbar betrügerischen Giftmüllgeschäfte im Detail aufzuarbeiten. Dabei wurde auch offenkundig, wie mangelhaft der "zertifizierte Entsorgungsfachbetrieb" von Behörden kontrolliert worden ist.

Es sei "sehr viel aufgeklärt worden", sagte der Ex-Technosan-Chef am Donnerstag in seinem Schlusswort. Er habe aber auch auf viele Dinge hingewiesen, die anders gewesen seien, als es die Staatsanwaltschaft dargestellt habe. Der komplette finanzielle Ruin werde sich jedoch in seinem Leben "nicht mehr umkehren lassen". Alexander C. hatte zum Auftakt des Prozesses am 30. April 2014 ein Teilgeständnis abgelegt und erklärt, nicht von allem gewusst zu haben, was sich auf der Verwertungsanlage in Neuötting abgespielt hatte. Die Recycling-Firma gibt es inzwischen nicht mehr.

Seine Verteidiger, Markus Figgen und Peter Guttmann, betonten in ihren Plädoyers , dass eine umweltgefährdende Entsorgung nicht eindeutig nachzuweisen seien, zumal Vorschriften und gesetzliche Vorgaben zu Grenzwerten uneinheitlich seien. Überdies sei Alexander C. "keinesfalls Platzwart oder Betriebsleiter" in der Außenanlage von Neuötting gewesen. Diese Funktion hatte der mitangeklagte Wolfgang B. ausgeübt, der nach verdächtigen Funden in Gruben bei der Kripo-Sonderkommission "Entsorgung" ausgepackt hatte. Demnach sei alles von der Kraillinger Zentrale gesteuert worden und Wolfgang B. nur eine Art "Hausmeister" ohne große Befugnisse gewesen, sagte sein Verteidiger Nicolas Frühsorger. Der Technosan-Chef habe seine Firma von Krailling aus als "alleiniger Herrscher straff geführt" und sei im Bilde gewesen, was auf dem Betriebsgelände in Neuötting passierte.

Dort war auch Stefan S. beschäftigt, der offenbar nur "schöne Proben" aus Abfallhaufen mit niedrigem Schadstoffgehalt nehmen sollte. Sein Mandant habe sich den "Weisungen aus Krailling fügen müssen", betonte Anwalt Nico Werning, der zudem das "Versagen" der Kontrolleure und Aufsichtsbehörden scharf kritisierte. Von den Ämtern soll die vierte Angeklagte und einstige Mitarbeiterin in der Zentrale, Daniela T., nie "negative Rückmeldungen" bei ihren Bilanzen erhalten haben, die Alexander C. abgesegnet hatte. Sie habe nur funktioniert und sich in der Firma wie im "Hamsterrad" gefühlt. Im Jahr vor ihrem nervlichen Zusammenbruch und Abschied von Technosan habe sie statt 8000 dann 26 000 Datenblätter sammeln müssen. Die Angeklagte ist sich keiner Schuld bewusst und sagte, ihrem Chef vertraut zu haben und nur seinen Anweisungen gefolgt zu sein - auch deshalb, weil sie "viel Angst vor seiner Dampfwalzen-Mentalität" verspürt habe. Ihr Verteidiger verlangte einen Freispruch.

Der Staatsanwalt fordert für Alexander C. wegen betrügerischer Entsorgung mit einem Schaden von etwa 5,8 Millionen Euro eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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