Konzert:Zu wenig Bauchgefühl

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Die Cellistin Anna Engelhardt beim Konzert im historischen Wartesaal des Starnberger Bahnhofs. (Foto: Arlet Ulfers)

Beim Piazolla-Abend stößt das Ensemble an seine Grenzen

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Der Rahmen passte wunderbar zum Thema. Der Kulturbahnhof Starnberg mit seiner Holzvertäfelung hat etwas von den Tanzlokalen in Buenos Aires, auch wenn hier im ausverkauften Wartesaal niemand tanzte und der Tango Nuevo von Astor Piazzolla auch nicht dafür gedacht ist. Das deutet das Dilemma an, in dem sich der Tango Nuevo befindet: Von TPuristen verschmäht, in der E-Musik eine Randerscheinung. Indirekt war die Problematik Thema der "Hommage á Piazzolla" des Damen-Klaviertrios TriOlé.

Die für Violoncello und Klavier arrangierten Sätze aus der Französischen Klavier-Suite h-Moll BWV 814 von Bach, die melancholische Allemande und die Gigue waren Vorläufer der Musik Piazzollas. Mit der Moderation der Cellistin Anna Engelhardt von der Musikschule Erding wahrte das Trio zusammen mit der Ukrainerin Olena Savka aus Dachau an der Violine und der Engländerin Bonny Palm von der Musikschule Starnberg am Flügel einen gewissen pädagogischen Anspruch, der zu Raritäten im Konzertbetrieb führte. Vor allem ins Paris des beginnenden 20. Jahrhunderts, wo zwei Schwestern einen großen Einfluss auf eine ganze Komponistengeneration ausübten: Lili und Nadia Boulanger als Professorin am Konservatorium. Die beiden Stücke für Violine und Klavier der jüngeren Lili, das melancholische "Nocturne" und das ausgelassene "Cortége" führten vor allem in die französische Tradition zwischen Impressionismus und Moderne. Die Sprache von Nadia Boulanger war entschiedener und spannungsreicher im dritten Stück für Violoncello und Klavier und etwas schroffer im Ausdruck.

Den Rahmen für den Abend lieferte Piazzolla, neben dem wehmütigen "Oblivion" (Vergessenheit) der Zyklus der vier Jahreszeiten in Buenos Aires "Las Cuatro Estaciones Porteñas". Auch wenn hierin das Ensemble homogener zusammenwirkte und Engelhardt sauberer intonierte, stießen die drei Instrumentalistinnen in der Einfühlsamkeit an ihre Grenzen. Dass Piazzolla in einem Genre komponierte, das eher der U-Musik zugerechnet wird, täuscht in Hinsicht auf die Sensibilität seiner Musik. Gerade der Tango fordert bedingungslose Hingabe, denn er ist Temperament und Leidenschaft in Reinform. Dem Changieren zwischen schmachtendem Gesang über feurige Rhythmen bis hin zu Ausbrüchen wilden Taumels konnte das Trio überzeugend folgen. Doch das Bauchgefühl kam etwas kurz.

Bei Carlos Gardel in dem für Violine und Violoncello arrangierten "Volver" und "Melodía de arrabal" kamen dadurch die Stimmen kaum zusammen. Die Aufgabe der Farbmalerei in "Círculo..." op. 91 von Joaquín Turina, der noch stärker als Piazzolla temperamentvolle Tanzrhythmik mit dem französischen Impressionismus verschmelzen ließ, machte die Aufgabe nicht einfacher. Die drei Sätze zeigten ein reiches Kolorit, doch für die feinsinnigen Nuancen, die unter die Haut gehen sollen, reichte die Homogenität leider nicht. Das Publikum war dennoch begeistert und bekam eine Zugabe.

© SZ vom 08.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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