Konzert:Weniger ist mehr

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Keine Kompromisse: Pianistin Julia Kadel mit ihrem Kontrabassisten Karl-Erik Enkelmann. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Julia-Kadel-Trio mit Avantgarde-Jazz im Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Jazzpublikum im Bosco bewies seltene Aufgeschlossenheit, ließ es sich doch vom ausgesprochen avantgardistischen Jazz begeistern. Man kann daraus wohl schließen: Ein stimmiges und sorgfältig ausgearbeitetes Konzept macht es möglich, dass das Publikum trotz gewagter Mittel einen Zugang zur Musik findet. Das dürfte wohl auch der Grund dafür sein, dass dieses junge Julia-Kadel-Trio aktuell viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Was den drei Musikern im Gautinger Kulturhaus gelang, ist um so bemerkenswerter, als das Ensemble keine Kompromisse einging, um etwa eingängiger zu erscheinen oder das Publikum mit traditionellen Elementen abzuholen. Das Trio mit der Namensgeberin am Klavier schonte die Zuhörer nicht. Und wandte sogar zum großen Teil musikalische Mittel der allgemein unliebsamen Neuen Musik an, die in diesem Fall unverhüllt zum Zuge kamen. So etwa die sich im Kreis drehende minimal music, die mit ihrer repetitiven Struktur die Monotonie fokussiert. Sprunghafte Themen, der Zwölftonmusik nahe, verliehen den Stücken meist eine spröde Charakteristik, auch dann, wenn sie sich kaskadenartig von oben herab ergossen. Tonalität war kein Thema, sodass Cluster wie selbstverständlich eingebettet wirkten.

Aber es ging noch gewagter. Denn das Ensemble mit dem soliden Kontrabassisten Karl-Erik Enkelmann und dem mit dem ganzen Körper agierenden Schlagwerker Steffen Roth, von dem ebenfalls Kompositionen zu hören waren, zeigte sich fesselnd in der Ad-hoc-Improvisation, die deshalb so heikel einzuflechten ist, weil keinerlei Inhalte vorbestimmt sind. Dabei ist alleine die Intuition im Zusammenspiel und das Miteinander-Können ausschlaggebend dafür, wohin die Reise geht und wie sie verläuft.

Das Julia-Kadel-Trio vermied es, alles Gedachte auszuspielen, machte sich vielmehr das Prinzip zugute: Weniger ist mehr. Die Reduktion auf entscheidende Elemente, weitgehend unter Verzicht auf durchlaufende Rhythmik und zusammenhängende Thematik, verlieh dem Duktus in fragmentarisch wirkenden Phrasen den Charakter von Andeutungen. Als ob das Ensemble in unzähligen Anläufen diverse Möglichkeiten einer Phrase erprobt hätte, wirkten die Stücke, die andererseits dadurch eine weite Vielfalt an Ausdrucksformen und emotionalen Wendungen anführten.

Die Erklärungen zu Titeln wie "Versetzt" oder "Verwicklung" konnten zwar erhellen, wie es zum jeweiligen Stück gekommen ist. Doch wichtig war das nicht, denn letztendlich musste jeder Zuhörer für sich selbst der Suggestion ein passendes Bild geben. Und das funktionierte offenbar, zumal auch sinnlich-satte Verdichtungen zur Konkretisierung beitrugen und dem mysteriösen Grundtenor dann griffige Elemente boten. Die Begeisterung reichte für eine ausgedehnte Zugabe.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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