Konzert:Von lyrisch bis schrill

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Udo Schindler hat im Kraillinger Salon wieder einmal ein Klangabenteuer der besonderen Art geboten. (Foto: Nila Thiel)

Pianist Michel Wintsch und Udo Schindler begeben sich auf Abenteuerreise in die Welt des Klangs

Von Reinhard Palmer, Krailling

So ein Flügel ist schon allein in der Klangerzeugung ein vielseitiges Instrument. Musiker des Fachs der Ad-hoc-Improvisation sind im Ausschöpfen dieser Möglichkeiten auch überaus erfinderisch - sowohl beim Präparieren des Instruments, wie auch im Einsatz diverser Hilfselemente. Gerade im Kraillinger Salon für Klang und Kunst konnte man da schon die exotischsten Lösungen miterleben.

Diesmal lud Gastgeber Udo Schindler den Schweizer Pianisten Michel Wintsch ein, einen Klavierpart zu seinen Klarinetten- und Saxophonklängen beizufügen. Dabei überraschte es etwas, dass sich gerade ein Instrumentalist, der seine virtuosen Fähigkeiten am Klavier nicht über eine klassische Ausbildung erworben hat, bei diesem Konzert auf die mehr oder weniger konventionelle Spielweise am Flügel konzentrierte. Gewiss: Er nutzte darüber hinaus - auch im Resonanzraum - die diversen perkussiven Möglichkeiten des Instruments bis hin zum leisen Klappern der Tasten und Pedale. Doch die klingende Tonerzeugung auf den Saiten blieb weitgehend der Betätigung der Anschlagsmechanik vorbehalten - in welcher Weise auch immer Wintsch sie einsetzte.

Und das wirkte sich entscheidend auf den Charakter des Duo-Auftritts aus: Hier dominierte ein entschiedenes, klangsattes Spiel, das gegenüber den geräuschhaften Klangexperimenten eindeutig im Vordergrund stand. Wintsch scheute auch gefällige melodische Linien nicht, er setzte damit immer wieder lyrische, ja sogar besinnliche Akzente, die Schindler vor allem mit vordergründig Atmosphäre erzeugenden Klängen stützte.

Die dramaturgischen Entwicklungen waren mit der Konkretisierung der Rhetorik keinesfalls eingeschränkt. Das galt allenfalls in Hinsicht auf die Lautstärke; vor allem, wenn Schindler zur röhrenden Kontrabassklarinette griff und die Trommelfelle der Zuhörer ordentlich durchmassierte. Bisweilen entfachte der Hausherr auch über einem dröhnenden Klangteppich aus repetitiven, minimalistischen, meist stark rhythmischen Motiven mit dem Sopranino-Saxophon geradezu schrille Hysterie.

Die klangsatte Spielweise an den Tasten, die schon mal mehr geschlagen einwirkte, als spieltechnisch ausgeführt, rief auch in anderen Momenten starke emotionale Ausprägungen hervor. Sie bescherten der narrativen Charakteristik der Ad-hoc-Improvisation deutlich erkennbare Affektbilder, gelegentlich sogar ganze Szenarien. Bisweilen gaben Schindler und Wintsch die gemeinsame Klangbildung auf, um einzeln eigene Positionen zu beziehen oder sie dialogisierend zu verteidigen.

Solche künstlerischen Dispute konnten schon mal skurrile Formen annehmen und an ein gegenseitiges Foppen erinnern, was auch einen gewissen humoristischen Effekt implizierte. Diesen Witz nahm vor allem Schindler mit seinen berüchtigten Schnalzern und Knutschtönen in die Zugabe mit, während Wintsch mit an Schostakowitsch angelehnter Schärfe ein packendes, mit dem Sopranino-Saxophon geradezu schreiendes Finale provozierte. Einmal mehr bot Schindlers experimentelle Spielwiese ein Klangabenteuer der besonderen Art.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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