Konzert:Virtuos und diszipliniert

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Der 15-jährige Lorenzo Giannotti konzertiert mit Caroline Bergius

Von Reinhard Palmer, Gilching

Mit gerade einmal 15 Jahren vors Publikum zu treten und mit einer renommierten Pianistin einen ganzen Kammermusikabend in voller Konzentration und Hingabe zu bestreiten, ist eine enorme Leistung. Und die Aula des Gymnasiums Gilching füllte sich gut, darunter waren erfreulich viele junge Hörer. Die Pianistin Caroline Bergius widmet sich immer wieder vielversprechenden Nachwuchstalenten. Der Münchner Geiger Lorenzo Giannotti ist zweifelsohne auf dem besten Weg, diese Förderung als Starthilfe für eine solide Musikerkarriere zu nutzen - dafür muss man nicht gleich Superlative anführen und den Wunderkindbegriff bemühen. Eine ordentliche Portion Begabung, viel Üben und pädagogisch-didaktisches Geschick - Lehrerin Rebekka Hartmann verfolgte vom Publikum aus jede Bewegung Giannottis aufmerksam - genügen schon, ein wirkungsvolles Konzertrepertoire zu erarbeiten.

Das muss freilich schon mit viel Bedacht gewählt werden, was hier geradezu mustergültig erfolgt ist. Auch in den Tempi ließ sich das Duo nicht zu gewagten Unternehmungen hinreißen, man gab vielmehr dem jungen Geiger die Möglichkeit, seinen Part klangschön auszuspielen und den Fokus auf Ausdruck zu legen. So gleich zu Beginn mit der Romanze G-Dur des Norwegers Johan Severin Svendsen, in der sich Giannotti im gestrafften Mittelteil aber auch mit temperamentvoller Beredsamkeit hervortun durfte. Die knappe "Polnische Caprice" für Violine Solo der Komponistin Grażyna Bacewicz bot sogar eine recht fulminante Gelegenheit, nach elegisch-melancholischer Einleitung mit einem virtuos-forschen Volkstanz konzertante Bravour vorzulegen. Aber auch hier zeigte sich Giannotti diszipliniert und erlaubte sich keine schmissigen Flüchtigkeiten, spielte alles sorgfältig aus und blieb so souverän bis zum letzten Ton.

Wenn man sich als Kammermusiker bewähren will, sollten jungen Musiker aber nicht nur Führungsrollen kennen. Es gehört auch dazu, sich schon mal in den Hintergrund zurückzunehmen. Dafür bieten sich etwa die frühen Sonaten von Mozart an. In der Sonate C-Dur KV 296, die er für seine Klavierschülerin Josepha Auernhammer komponiert hatte, brillierte Bergius mit einem trotz Leichtigkeit und Transparenz intensiven und reichhaltigen Klavierpart, den Giannotti in erster Linie mit Farbfolien auszumalen hatte. Auch hier bewies er ein gutes Ohr für klangliche Gesamtwirkungen und verstand es zudem, seinen Part aus dem Begleitpart behutsam in den Vordergrund ausblühen zu lassen, wenn Mozarts Partitur das vorsah. Dieses unentwegte Changieren benötigt viel Fingerspitzengefühl, für das ein reifes musikalisches Verständnis Voraussetzung ist. Das bewies Giannotti auch im gleichwertig behandelten Schlusssatz beim wendigen Wechseln zwischen spritziger Leichtigkeit und melodischer Dichte.

Bergius' Steckenpferd ist die historische Aufführungspraxis am Cembalo. Dieses Instrument wurde hier zwar nicht bemüht, doch schenkte das Duo im zweiten Konzertteil der barocken Musik mit pedalarmem Klavierpart und überaus plastisch geformter Violinstimme, die Giannotti adäquat vibratoarm hielt, seine Aufmerksamkeit. In Bachs Sonate E-Dur BWV 1016 aus der Gruppe der Violinsonaten, in denen das Cembalo erstmals einen voll ausgeschriebenen und eigenständigen Part erhielt, ging es dann definitiv um das Zusammenspiel beider Musiker. Vielleicht ging Giannotti mit allzu viel Respekt an die Aufgabe heran. Er meisterte sie zwar überzeugend, doch nicht so gelöst, wie man es ihm für den Rest des Programms bescheinigen konnte.

Für den Abgang überließ Bergius dem jungen Virtuosen dann doch noch den großen Auftritt mit hervortretendem Violinpart. Die Chaconne g-Moll von Tomaso Vitali, ein Thema mit Variationen über ostinaten Bassharmonien, wurde vom großen Geiger Ferdinand David im 19. Jahrhundert um reichlich Virtuosität erweitert, sodass Giannotti hier ein wirkungsvolles Finale ausspielen konnte. Das galt dann auch für die Zugaben, in der die Disziplin des 15-Jährigen dennoch keinesfalls nachließ. In Elgars "Chanson de Matin" beeindruckte er mit verträumter Zärtlichkeit, in Montis "Csárdás" mit zaghafter Leidenschaft. Jubel und stehende Ovationen waren wohlverdient.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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