Konzert:Verhaltene Festlichkeit

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Mit Bravour: Uta Sasgen, Ava de Araujo Madureira, Gerhard Abe-Graf und Cornelius Rinderle (v.li.). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mitglieder des Gärtnerplatz-Orchesters spielen in Gilching Barockmusik und eine Rarität

Von Reinhard Palmer, Gilching

Die Vorweihnachtszeit ist die Zeit der Barockmusik, wohl weil sie mit ihrem sinnlichen Klang sehr festlich daherkommt, vor allem in der Kirchenmusik mit Pauken und Trompeten. Die Kammermusik ist etwas verhaltener, abhängig von der Besetzung. Das vom Kunstforum veranstaltete Konzert "Aperto a Barocco" in der Aula des Gilchinger Gymnasiums hatte nicht wenig zu bieten, obgleich nur vier Musiker den Klang mixten. Mit der Flöte von Uta Sasgen, der Violine von Ava de Araujo Madureira, dem Fagott von Cornelius Rinderle und dem Cembalo von Gerhard Abe-Graf - bis auf Letzteren alles Mitglieder des Gärtnerplatz-Orchesters - stand hier ein weites Klangspektrum zur Verfügung, zumal es die Musiker verstanden, ihren Instrumenten reiches Kolorit zu entlocken. Eine alltägliche Übung im Opernorchester, wo es immer auch um Atmosphäre und handlungsorientierten Ausdruck geht.

Bereicherung kam zudem aus dem Programm selbst, das sich bis zur Klassik ausdehnte. Carl Philipp Emanuel Bach ging schon neue Wege, allerdings nicht ohne die Musik seines Vaters gründlich studiert zu haben. Gerade in der d-Moll-Sonate für Violine, Flöte und Basso continuo wurde deutlich, wie sehr Carl Philipp Emanuel die Poesie von Johann Sebastian verinnerlicht hatte. Eine Charakteristik, die wunderbar zur Jahreszeit passt, zumal selbst die heiterste Barockmusik in unseren Ohren immer einen Touch Melancholie mitführt.

Bei Bachs Sohn kamen neue Aspekte hinzu, etwa die weitgehende Auflösung des dichten Stimmengewebes zugunsten dialogisierender Vortragsordnung, wie schon im Kopfsatz der Triosonate von Sasgen und Madureira fesselnd vorgeführt. Noch hielt der betörende Gesang der Klassik in den langsamen Satz keinen Einzug, doch fehlte es nicht an Empfindsamkeit selbst im Basso continuo. Und auch im dritten Satz konnte man trotz Heiterkeit kaum Haydnschen Einfluss feststellen; im Grunde rundete er die Übereinstimmung der Bachs in der Satzcharakterisierung ab, zumindest in der Interpretation des Quartetts an diesem Abend.

Johann Sebastian Bach hatte dem Kopfsatz jeweils einen langsamen einleitenden Satz vorgeschaltet, so in der Sonata e-Moll für Flöte und Basso continuo BWV 1034 wie in der Triosonate G-Dur BWV 1039, der sich bei Carl Philipp Emanuel Bach auf wenige Takte zusammengeschrumpft in den Beginn des Kopfsatzes integriert fand. Ansonsten folgten die Bachs einem vergleichbaren Schema: erstes Allegro beherzt und mit Verve, melancholische Musikalität im langsamen Satz sowie schließlich im Allegro-Finale spritzige Leichtigkeit in dichter Textur. Nur in der Meisterschaft des Kontrapunkts und der Bildung von Fugenthemen, die sich stimmig drehen, wenden und spiegeln lassen, wollte (oder konnte?) der Junior wohl nicht folgen.

Erfrischend war es dann, zwischendurch Komponisten zu hören, die ihre eigenen Formen gefunden haben. Telemann musste den Vergleich nicht scheuen. Das Ensemble ließ es sich auch nicht nehmen, die Eröffnung mit seinem Allegro aus dem "Getreuen Musikmeister" zu bestreiten. Mit seiner Leichtigkeit und beschwingten Heiterkeit stellte es die Weichen auf gute Laune und entspannte Unterhaltung. Telemanns Duo-Sonate für Flöte und Violine aus der gleichen Publikation ging noch weiter und wagte im Dolce-Kopfsatz ein vergnügtes Tänzchen. In diesem Werk führte die Flöte, während die Violine zwischen zweiter Stimme und dichtem Begleitsatz changierte. Besonders reizvoll erklang das Vivace-e-staccato-Finale mit zünftiger Folkloristik, die das Duo schwungvoll ausspielte.

Eine Rarität fehlte nicht im Programm: die Sonata sopra "La Monica" für Fagott, Violine und Basso continuo eines Philipp Friedrich Boedecker, der vor allem in Stuttgart als Organist und Gelegenheitskomponist gewirkt hatte. Er schrieb die Sonata für das erst frisch zum heutigen Instrument entwickelte Fagott, so die informative Moderation der Musiker. Tatsächlich konnte Rinderle darin nicht recht viel mehr vorführen als die virtuosen Möglichkeiten des Instruments, die kaum im Kontext zum Ensemble standen. Interessant ist das Werk vielmehr aufgrund der Überlieferung des Schlagers "La Monica", der mit seiner wehmütigen Melodik die Grundlage für die Fagott-Variationen bildet und in der Begleitung durchgehend wiederholt wird. Das Ensemble entließ das beglückte Publikum mit einer weihnachtlichen Zugabe: Bachs Choral "Wie schön leuchtet der Morgenstern".

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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