Konzert:Schlag auf Schlag

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Vier gewinnt: Lionel Haas, Thomas Hoppe, Tim Seier und Torsten Zwingenberger (von links) bei der Arbeit. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Drummer Torsten Zwingenberger und sein Quartett reißen ihr Publikum in Feldafing nach kleinen Anlaufproblemen mit ihrem Mainstream-Jazz mit

Von Armin Greune, Feldafing

Der Oktopus, vulgo die Krake, ist ein höchst erstaunliches Lebewesen: Jeder der acht Arme hat eine eigene Sensorik und Steuerung und kann daher als Außenstelle des Gehirns angesehen werden. Wenn überhaupt ein Mensch mit diesem Wunderwerk der Schöpfung verglichen werden kann, kommt der Schlagzeuger Torsten Zwingenberger mit seiner selbst entwickelten Technik "Drumming 5.1" dem Oktopus recht nahe: Mit Zehen und Fersen kann er jeweils zwei Fußmaschinen bedienen und er hält auch schon mal gleichzeitig Besen und Stick in einer Hand - was zumindest theoretisch in der Summe acht Schlaginstrumente ergibt.

Selbstverständlich aber hat der Teamplayer Zwingenberger beim Gastspiel seines Quartetts Berlin 21 im Feldafinger Bürgersaal derart akrobatische Kunststückchen nicht zum Selbstzweck aufgeführt. Im Gegenteil: Oft hielt sich der Bandleader zurück und überließ seinen Mitmusikern Lionel Haas (Piano), Tim Seier (Gitarre) und Thomas Hoppe (als Vertreter für den gerade in Afrika tourenden, etatmäßigen Bassisten Martin Lillich) das Rampenlicht. Wer aber dem 58-jährigen Drummer in der Ecke genauer auf Hände und Füße sah, konnte schon ins Staunen kommen: Etwa wenn Zwingenberger mit einer seiner fünf Fußmaschinen sowohl die Bass Drum (Vorderfuß) wie das Cajon (Ferse) anschlug.

Für den überzeugten Hauptstädter - der Bandname ist ein Synonym für den Bezirk Moabit/Tiergarten, wo er seit 1980 lebt und sein Studio hat - war es nicht das erste Konzert am Starnberger See. Neben einem Gastspiel in der Pöckinger Bücherei mit Tommy Weiss ist Zwingenberger vor allem der Auftritt mit seinem Bruder Axel in Bernrieder Sommerkeller im Gedächtnis geblieben, wo er sich im Hochwinter, im Januar 2011, eine schlimme Erkältung einhandelte. Dieses Risiko drohte am Samstag in Feldafing nicht: Im gut besetzten Bürgersaal ließ das begeisterte Publikum die Temperatur spürbar ansteigen.

Die Zuhörer erlebten mehr als zweieinhalb Stunden lang mitreißenden Mainstream-Jazz. Das Programm bestand ausschließlich aus markanten Eigenkompositionen der Bandmitglieder: Etwa "Express Brain", das Zwingenberger solo mit den "so gut wie ausgestorbenen Tönen" der Dampfzüge einleitete. Das schließlich rasante Tempo griff Haas mit grandioser Fingerfertigkeit am Piano auf, bis Seier ein filigranes E-Gitarrensolo beisteuerte. Oder die Ballade "Insight", bei der Hoppe nicht nur das Intro am Bass mit Hall und Loops übernahm, sondern auch immer wieder die Melodieführung. Der in Winnipeg aufgewachsene Youngster Seier - der für die Tournee aus Kanada eingeflogen ist - hatte zum Auftakt des Konzerts bei "Steppin' In" noch Probleme, das Thema mit Haas gemeinsam synchron zu intonieren. Nach diesen Anlaufschwierigkeiten versöhnte der Gitarrist mit Hipster-Bart, Schlips und schickem Schopf jedoch mit seiner Komposition "Windy City" und präziser Virtuosität. Insgesamt wirkte sein Vortrag vielleicht ein wenig zu verhalten, man wünschte sich fast einen gelegentlichen expressiven Ausbruch des Frontmans herbei - wie ihn etwa Haas in einem ausgedehnten Pianosolo zu einem Boogie im 5/4-Takt lieferte, der wahre Beifallsstürme entfachte.

Gegen Ende, kurz vor Mitternacht, packte Zwingenberger die Spielkiste aus und stellte sämtliche Perkussionsgeräte vor, die er in die Finger bekam. Doch bevor dies allzu langatmig zu werden drohte, wirbelte er wieder über Becken und Trommeln, dass es eine reine Freude war. Was mit ganz wenigen Abstrichen ja für auch für das ganze, quicklebendige Konzert gilt.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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