Konzert:Schichtarbeiter

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Quer durch die Erdzeitalter: Jakob Schuster, Jonas Dannecker (im Hintergrund), Max Grüner und Matthias Herberg (v.li.) von "Collector". (Foto: Georgine Treybal)

Die Bands "Collector" und "Olicía" in Steinebach

Von Gerhard Summer, Wörthsee

Es gibt Bands, die machen Musik zum Niederknien, und doch steht man am Ende mit dem Gefühl auf, dass man jetzt sofort was anders hören muss. Himmel, gib harten Rock! Oder einen ganz, ganz langsamen Blues! In diesem Fall liegt das womöglich auch am Doppelpack: Zuerst zelebriert das Duo Olicía im vollbesetzten Alten Bahnhof in Steinbach die Kunst der Vocal-Loops mit immer ähnlichen Mitteln, sodass fast schon ein Stück wie das andere klingt. Und danach präsentieren Collector, wie sich Vorteilspack jetzt nennen, ihre nicht einmal 40 Minuten dauernde Reise durch die Erdzeitalter. Und wieder stellt sich der Eindruck ein, dass ein paar Tempowechsel und mehr Abwechslung nicht geschadet hätten.

Okay, vielleicht ist das auch kleinlich und der falsche Ansatz. Denn der einheitliche Stil dürfte Absicht sein. Schließlich ist "Loom" ein Indietronic-Konzeptalbum, das mit dem Präkambrium beginnt, vom Auftauchen des Lebens erzählt, die Antike in Musik fasst, da sich der Mensch die Natur zu erklären versuchte, und auf Roboter abhebt, die gerne Mensch werden würden. Und jeder Song ist für sich genommen ein kleines Meisterwerk mit präzisem Harmoniegesang, teilweise abgrundtiefen Bässen und sattem Schlagzeug, mit überraschenden Schlüssen, großen psychedelischen Steigerungslinien im Titelsong und in "Inti". Es gibt Hunderte von Details zu entdecken, vom Glockenschlag bis zum Vogelgezwitscher, weil das Quartett inzwischen viel mit Loops und Effekten arbeitet und Matthias Herberg an Keyboard und Synthesizer dazugewonnen hat. Max Grüner, Jakob Schuster und Jonas Dannecker betätigen sich außerdem als Multiinstrumentalisten an Gitarren, Klarinette, Saxophon, Posaune und Xylophon und haben auch als Solosänger noch mal zugelegt. Manchmal klingt das dann ein wenig nach Folk und melancholischem Prog-Rock, oft nach Notwist und nach Coldplay. Und der schönste Song des ganzen Albums, "Poise", hat das Zeug zum Hit. Collector klingen also nicht komplett anders als Vorteilspack, sie sind nur wesentlich vielschichtiger geworden, raffinierter und zeitgemäß. Doch der Vorzug ist mit einem Nachteil erkauft: die bestechende Klarheit und Durchsichtigkeit der alten Songs geht verloren.

Schöpfung und Schichtarbeit: Dafür stehen an diesem heftig beklatschten Abend auch die exzellenten Sängerinnen Fama M'Boup und Anna-Lucia Rupp, die vom Jazz her kommen, im Duo Olicía aber nur mit ihren Stimmen, zwei Loop-Maschinen, Mini-Keyboard und Klick im Ohr ganze Songs erschaffen samt zappelndem Bass, Percussion und Verfremdungen, die zuweilen an die Grenzen der Tonalität rühren. Das ist technisch glänzend gemacht und hat auch Sogwirkung, kommt aber mit arg viel Geklingel und Gezirpe daher. Am Ende gibt es als Zugabe eine Improvisation, "wir gucken, was passiert", sagt Rupp. Aber dann passiert genau das Gleiche wie in den Stücken zuvor.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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