Konzert:Reise auf 24 Saiten

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Packende Phrasierung: Martin Wentzel, Kalin Yanchev, Eugen Drabynka und Stefan Hladek (v.li.) beim Konzert im Saal der Evangelischen Akademie. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Barrios Guitar Quartet spielt in Tutzing Vivaldi, Tansman und de Falla

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Die vier Virtuosen wählten den einst von John Williams wiederentdeckten paraguayischen Gitarrenmeister Agustín Barrios Mangoré (1885 bis 1944) zum Namensgeber, wohl nicht nur, weil er zu den berühmtesten Pionieren des modernen Gitarrenspiels gehörte. Sein Mut zur Optimierung, etwa mit gewachsten Stahl- statt Darmsaiten oder mit um einen Bund verlängerten Gitarren, steht beim Barrios Guitar Quartet Pate für sorgfältiges Feintuning bei der Wahl der Instrumente, um den jeweils gesuchten Klang auszutarieren. Hinzu kam im Saal der Evangelischen Akademie Tutzing eine konzentrierte Ensemblearbeit, die im Zusammenspiel und mit spieltechnischen Finessen den großen Raum mit edel schimmerndem Klang füllte. Etwas leiser als gewohnt, sicher. Umso größer aber war die Aufmerksamkeit des Publikums, das auch hier für die typische Stille sorgte, wie man sie nur von klassischen Gitarrenkonzerten her kennt. Das machte den Auftritt so besonders. Ein würdiger Abend, das 50. Jubiläumsjahr der Musikfreunde Tutzing, die der Saison im Juni 2022 mit einem Festkonzert die Krone aufsetzen wollen, zu eröffnen.

Martin Wentzel, der Bulgare Kalin Yanchev, der Ukrainer Eugen Drabynka sowie Stefan Hladek spannen im Ensemble ihr Repertoire über viele Jahrhunderte. Bei fehlender Originalliteratur dann eben mit fundierten Bearbeitungen, gegebenenfalls aus eigener Feder. In Tutzing ging es mit vier Stücken aus den Tabulaturenbüchern für Chitarrone solo von Johann Hieronymus Kapsberger aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeitlich auch recht weit zurück. An herzhafter Beschwingtheit fehlte es den tänzerisch grundierten Stücken dennoch keinesfalls. Ihren Unterhaltungswert unterstrich das Ensemble mit dem sparsamen Einsatz von Perkussionsinstrumenten wie Holzblöcken und mit Besen gespieltem Cajón. Barocke Sinnlichkeit erklang hier in ihrer Vielfalt: Zunächst mit der Sonata op. 1/12 von Vivaldi "La Follia", dem wohl am meisten variierten Tanz der Musikgeschichte. Dieses Thema mit einer Reihe von Variationen, im Original eine Violinsonate, bekam in der Bearbeitung von Hladek vor allem eine reichere Farbigkeit, aber auch in den Veränderungen stark ausgeprägte Charakteristika. Bach steuerte dem Repertoire ein Orgelwerk bei. Präludium und Fuge BWV 539 behielten im Quartett die Möglichkeit, diverse Orgelregister nachzuahmen, was gerade im sinnierend fließenden Präludium für feinsinnige Differenzierung sorgte. Dennoch: Hauptgestaltungsmittel blieb eine packende Phrasierung, die der tänzerisch beschwingten Fuge kraftvolle Wirkung gab.

Der internationale Ansatz sollte mit Werken aus neuerer Zeit noch prägnanter ausfallen. Mit drei Stücken in einer Art Suite auf Basis spanischer Folklore sorgte schon Debussy alleine für eine interkulturelle Auseinandersetzung. Das Barrios Guitar Quartet führte damit geradezu durch eine Bildergalerie, die trotz konkreter Titel doch sehr rätselhaft blieb. Ein Effekt, der mit den Klangmöglichkeiten der Gitarren besonders beredt ausfallen kann. Solche unterschwelligen Wirkungen stellten sich immer wieder ein, auch in den Variationen über ein Thema von Scriabin, die der polnische Komponist Aleksander Tansman für Altmeister Andrés Segovia komponiert hatte. Jede Variation führte in eine eigene Klangwelt. Die im Solo-Original schier unspielbare Vielschichtigkeit der Komposition bekam durch die Trennung der Stimmen im Quartett eine klärende Räumlichkeit. Ganz anders beim Orchesterwerk des Balletts "El sombrero de tres picos" (Der Dreispitz) von Manuel de Falla, das die vier Gitarristen mit Expressivität geschlossener sprechen ließen. Die Ballettgeschichte gab den Interpreten eine szenische Vorgabe, die der Musik eine fesselnde Entschiedenheit verlieh, nicht zuletzt durch geschlagene Saiten und Elemente der Rasgueado-Technik aus dem Flamencos. Mit dem rhythmisch hochkomplexen Volkstanz "Pazardzijska Kopanica" machte die Reise in der Zugabe noch einen Abstecher nach Bulgarien.

© SZ vom 05.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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