Konzert:Magischer Hintergrund

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Hochdramatischer Stoff: der Chor von St. Sebastian bei der Uraufführung der Symphonie "Miriam's Song". (Foto: Nila Thiel)

Der Gilchinger Kirchenmusiker Markus Schwaiger präsentiert mit "Miriam's Song" in St. Sebastian eine weitere Symphonie aus eigener Feder für Orchester und Chor. Für das eigenwillige Werk gibt es großen Applaus

Von Reinhard Palmer, Gilching

Markus Schwaiger zählt wohl zu den produktivsten Kirchenmusikern weit und breit. Seit seinem Einstand als Komponist 2017 schafft er es nun auch, jedes Jahr ein neues großes Werk für Chor, Orchester und Solisten aus eigener Feder zur Uraufführung zu bringen. Er macht es sich dabei nicht gerade leicht, was man in der Gilchinger Pfarrei St. Sebastian zu schätzen weiß. Auch sein Publikum hält ihm die Treue. Sein eklektischer Stil mit ekstatischen Hymnen, himmelstürmenden Chororgien und orchestralen Stürmen euphorisieren die Zuhörer aufs Höchste. Auch diesmal gab es frenetische Ovationen. Doch folgte seine Symphonie "Miriam's Song" nicht dem gewohnten Schema einer Aneinanderreihung von Aufschwüngen bis zur Glückseligkeit. Nach wie vor blieb zwar die Spätromantik Schwaigers Vorbild, nun aber sehr eigen ausgeprägt.

Spanische Tanzrhythmen und Flamenco-Harmonien irritierten, auch wenn Tanz und Rhythmik inhaltlich nicht fehl am Platz waren, denn "die Israelitinnen und Miriam sangen und tanzten", heißt es im Exodus 15, nachdem die Flucht aus Ägypten geglückt war. Darüber hinaus kamen der 100. Psalm und Schwaigers eigene Texte zur Vertonung. Es ist eine fast durchgehend gesungene Symphonie in englischer Sprache, in der Chor und Orchester von St. Sebastian mit Solistin Cosima Baumer (Sopran) ein Glanzlicht bekamen. Fulminant sollte es auch hier werden, was sich bereits in der kammerorchestralen Sinfonie Es-Dur von Carl Stamitz ankündigte. Sie entstand in Paris, steht aber deutlich in der Charakteristik der Mannheimer Schule der damals berühmten Hofkapelle, die sich da in kontrastreichen Ausdruckswechseln und plastischer Dynamik äußerte. Nachdem das Orchester von St. Sebastian zum Teil mit Amateurmusikern besetzt ist, tat Schwaiger am Pult gut daran, den sichereren Weg zu gehen, sodass die Rücknahmen nicht allzu weit in die schwierigen, leisen und empfindsamen Bereich hineinreichten. Nach wuchtigem Einstieg zeigte sich so der Kopfsatz schwungvoll in satter Feierlichkeit.

Nach einem geschmeidig rhythmisierten, nicht minder substanzvollen Andante setzte das energische Presto ein ausgeprägt akzentuiertes Finale nach. In voller symphonischer Besetzung musste es mit Schwaigers Symphonie geradezu in die Vollen gehen, um die Programmdramaturgie auf einen Höhepunkt hin weiter zu entwickeln. Schwaiger vermag es, seine Werke schlüssig an einem klaren Spannungsbogen auszurichten. Die biblische Materie zu Miriam, die sich als Schwester von Moses und Aaron mit ihrer musikalisch ausgelassenen Lobpreisung Gottes im Exodus hervorgehoben findet, liefert im Grunde nur dieses eine Geschehen, dem Schwaiger mit dem Psalm zum Dankopfer "Jauchzet dem Herrn, alle Welt!" inhaltlich übereinstimmend voranstellte. Was weniger einleuchtete, war die Ergänzung des Psalms mit dem eigenen Text zur Geburt der Sterne.

Damit gelang es Schwaiger jedoch, eine gewisse Magie in den Inhalt zu bekommen, die dem Werk unterschwellig ihre Charakteristik verlieh. Der Grund für diesen Einschub liegt wohl in Schwaigers Umkehrung des Kompositionsprozesses, wie er vorab verriet: Er entwickle zunächst musikalische Ideen, Themen und Melodien, erst dann begebe er sich auf die Suche nach dem passenden Inhalt. Und was eben die Bibel nicht hergab, dichtete Schwaiger selbst nach - so die Geburt der Sterne und für den dritten Satz "Miriam's Song".

Musikalisch gesehen ging er weit differenzierter vor als in bisherigen Kompositionen. Das schillernde Flirren zu Beginn kulminierte zu einer bombastischen Hymne, ging es ja zunächst ums Frohlocken aller Welt. Aber diesmal nahm er das weitere Wogen zurück, suchte Innigkeit im Gebet oder auch Trübung in besungener Traurigkeit. Den Tanz Miriams interpretierte Schwaiger nicht als ausgelassene Siegesfeier. Die Szene hatte auch etwas Bedrohliches, ja gar Gespenstisches, erinnerte an die Gefahr, bis Gott "Ross und Mann" ins Meer stürzte, barg vielleicht auch dunkle Vorahnungen, war Miriam doch eine Prophetin. Im Schlusssatz ballte sich mehr Substanz zusammen und verschärfte die Dramaturgie, zumal nun mit einem deutlicheren symphonischen Ansatz. Alternierend zwischen Rhythmik, Lyrik und drohender Spannung blieb die dramaturgische Strenge bis hin zum Finale.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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