Konzert:Lieber falsch als langweilig

Öffentliche Chorprobe im bosco

Ralf Ludewig dirigiert im Gautinger Bosco den Münchner Knabenchor. "Das macht nichts", beteuert er, wenn einmal ein Ton daneben geht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Münchner Knabenchor geht es mehr um Hingabe als um Perfektion

Dieses Winterkonzert in Gauting war kein Konzert im üblichen Sinn. Dem Begründer und künstlerischen Leiter des Münchner Knabenchors, Ralf Ludewig, ging es hier nicht darum, ein ausgefeiltes Repertoire aufzuführen, als vielmehr darum zu demonstrieren, wie sich die Arbeit mit einem Knabenchor gestaltet. Also keine perfekt erarbeiteten künstlerischen Höchstleistungen, sondern die Darlegung, wie hart auf dieses Ziel hingearbeitet wird und welche Leistung, Ausdauer, Hingabe und Disziplin die Buben dafür aufbringen. Bei freiem Eintritt waren es vor allem Eltern und Familienangehörige, die ins Gautinger Bosco eingeladen waren, um einen Einblick in die musikalische Entwicklung der Kinder zu bekommen.

Ludewig, der keine Gelegenheit ausließ, um Lobenshymnen auf die Buben zu singen, lag viel daran, sich vom Drill etwa eines Tölzer Knabenchores, den er von 2009 bis 2014 geleitet hatte, deutlich zu distanzieren. Dass noch unfertige Interpretationen gesungen wurden, hatte zur Folge dass auch unsaubere Einsätze und falsche Töne zu hören waren. "Das macht nichts", beteuerte Ludewig, es sei ihm viel wichtiger, dass keine uninteressanten und langweiligen Töne dabei sind. Sicherheitshalber ließ Ludewig einige Sänger verspätet mitten im Stück auf die Bühne spazieren, um deutlich zu machen, dass es um ein Werkstattkonzert geht. Oder was das ein versteckter Wink an die Eltern, ihre Söhne pünktlich zu den Proben zu bringen? Wie auch immer: Klar wurde, wie komplex der Organismus eines Knabenchors ist.

Dass die Mitglieder ihr Fach beherrschen und sich in den viereinhalb Jahren des Bestehens zu einem Spitzenchor entwickelt haben, darauf verweisen internationale Tourneen und Einladungen zu Festivals oder auf angesehene Bühnen, wie gerade in die Elbphilharmonie in Hamburg. Kostproben davon waren auch im Bosco zu hören, so zu Beginn mit dem Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen", später mit der achtstimmigen Motette "Das ist meine Freude" von Johann Ludwig Bach.

Wie weit der Weg bis zu diesem Niveau ist, ahnte man beim Auftritt der "Tigers", des jüngsten Anfängertrüppchens, das spielerisch mit kniffeligen Kinderliedern oder auch einem musikalisch skandierten Text zum einstimmigen, aber bereits ausdrucksstarken Gesang herangeführt wird. Etwa mit Titeln wie "Wisper knisper Wurzelfee" oder mit "Schnützelputzhäusel". Die Kinder dazu zu bringen, sich in Reih und Glied auf die Musik zu konzentrieren und stillzuhalten, sei schon eine enorme Leistung, zumal wenn nur auf Lob und Motivation basierend, lobte Ludewig die Arbeit seiner Assistentin. Wer sich und die Stimme im Griff hat, kann in den "Chor 1" aufsteigen, in dem er in die Kunst der Zweistimmigkeit eingeführt wird. "Man merkt schon, es wird mehrstimmig", scherzte Ludewig nach dem "Winterlied", das bisweilen ungewollt mit einem leicht diffusen Satz über die zwei Stimmen hinausging.

Mit "Schneemann" und mit "Mein Vater war ein Wandersmann" kam schon zielsichere Stimmführung zustande. Eine Voraussetzung, um in den Konzertchor aufzusteigen, der sich mit einer kleinen Abordnung als präziser und homogener Kammerchor präsentierte. Auf diesem Niveau haben die Münchner Knaben schon eine stimmliche Sicherheit, mit der auch einige Solisten professionell brillieren können. Zum Vergleich noch einmal "Mein Vater war ein Wandersmann", diesmal mehrstimmig und mit einer Solostimme ausgeschmückt. Dass schon mehrere solistisch befähigte Sänger zur Verfügung stehen, führte "Pie Jesu" auch im Duett und Terzett beeindruckend vor.

Nicht nur die Qualität des Vortrags in sicherer Intonation ist der Ertrag des Konzertchores, aus dessen Reihen sich auch ein Klavierbegleiter und zwei Nachwuchschorleiter empfahlen. Die Routine des Probens verkürzt auch die Einstudierungszeit, was wiederum Potenziale für die Perfektionierung freigibt. Nach anderthalb Chorproben erklang die dramatische Erzählung "Alice" nicht nur textsicher, sondern schon mit viel Atmosphäre und ausdrucksstark. Selbst den vierstimmigen Chorsatz Mendelssohns in "Hör mein Bitten" stemmte der Konzertchor in nur drei Probenstunden. Dem Solisten reichten zwei Stunden, um ergreifend in Erscheinung zu treten. Eine aufschlussreiche Präsentation, die viel Applaus und Bewunderung erntete.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: