Konzert:Kontrastprogramm

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Julia Fischer und ihre Freunde: (v. li.) Lorenz Chen, Severin van Schmid, Kirill Troussov, Louis Vandory, Juan Sebastian Ruiz und Matthias Gredler. (Foto: Georgine Treybal)

Das Konzert mit Julia Fischer bietet Melancholie und Temperament

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Die Violinsonate A-Dur op. 100 habe er "in Erwartung einer lieben Freundin" - der Sängerin Hermine Spies - komponiert, gestand Brahms einmal schriftlich. Das will bei ihm schon etwas heißen, hielt er sich doch in persönlichen Dingen eher bedeckt. Julia Fischer (Violine) und Henri Bonamy (Klavier) haben daraus beim Eröffnungskonzert der "Musikferien am Starnberger See" in der fast ausverkauften Starnberger Schlossberghalle eine feurige Romanze gemacht. Seelisch entblößt in den zarten Melodien, impulsiv brodelnd in den Verdichtungen, schließlich feurig in überraschenden Temperamentsausbrüchen. Nur in den verschatteten melancholischen Tiefen kam die etwas schwere Substanz der charaktervollen Guadagnini-Geige ins Spiel, sonst aber blieb der Ton des Duos schlank und transparent, besonders im Gesang des Mittelsatzes. Im Schlusssatz lässt sich Brahms für seine Verhältnisse schon richtig gehen: dramatische Elegie der Melodien, impulsiver Nachdruck, sattes Finale. Kein Zweifel: der zweite Frühling des damals 53-Jährigen.

Brahms hätte allerdings blass ausgesehen, hätte das Duo zuerst "Introduction et rondo capriccioso en la mineur" op. 28 von Saint-Saëns gespielt, das an feurigem Temperament einige Hitzegrade mehr hergibt. Fischer und Bonamy nutzten die Einleitung effektiv, um rezitativisch eine mächtige Spannung aufzubauen, die sich dann bravourös entladen konnte. Dass Saint- Saëns den Aufbau so effektvoll konzipiert hatte, war natürlich kein Zufall, war doch diese Komposition vom spanischen Violinvirtuosen Pablo de Sarasate in Auftrag gegeben worden, um seiner Instrumentenbeherrschung Gelegenheit der Selbstdarstellung geben. Das Programm bot also einen extremen Kontrast: Die innige Liebeserklärung von Brahms stand einer schmissigen Protzerei gegenüber. Bonamy verließ gar zumindest für Momente seine kultivierte Pianistik, um der Originalliteratur für Orchester mit scharfem Zuschnitt näherzukommen, freilich nicht ohne bisweilen weich modellierte Melodien geschmeidig einzubetten. Die kapriziöse Stretta bis zum furiosen Schlusspunkt feuerte das Publikum zum frenetischen Applaus an.

Der Weg zu den barocken Sinnenfreuden hätte chronologischer Weise mit Vivaldi beginnen sollen. Er war es schließlich, über dessen Werke Bach die zeitgemäße Kunst der Verführung erlernte. "L'estro armonico" (die harmonische Laune) hieß die Sammlung von Konzerten des Italieners, die Bach zum Teil bearbeitete. Zunächst unfreiwillig im Auftrag des geradezu Vivaldi-besessenen Prinzen Johann Ernst von Sachsen-Weimar.

Doch Bach hatte nicht nur von Vivaldi gelernt, sondern vermochte die neue Musikmanier schließlich in melodisch-thematischer Vollkommenheit und packender Emotionalität zu überbieten. Um dafür den Beweis zu führen, traten die Geiger Fischer und Kirill Troussov mit Bachs Doppelkonzert d-Moll BWV 1043 an: Mit beherztem, energischem Spiel hoben sich die beiden Rahmensätze deutlich von Vivaldis vordergründiger Virtuosität ab. Troussov gab sich einen Tick aggressiver, brillanter, seiner Stradivari entsprechend. Fischer blieb indes sanglicher, eher auf die Klangvollkommenheit bedacht, die im seelentiefen Mittelsatz auch Troussov zur Empfindsamkeit überredete. Das Schema war bei Vivaldi ähnlich, die klangliche Ausbalancierung mit dem fünfköpfigen Streichorchester noch farbiger. Doch die Aufspaltung in Concertino - Fischer, Troussov und Danjulo Ishizaka (Violoncello) - und Orchester im Stile Corellis ließ das Werk zunächst analytisch und emotional harmloser erscheinen. Die kraftvollen Dialoge der Rahmensätze, auf dem Kontrast aus Violinen und des Violoncellos aufbauend, brauchten eine gewisse Anlaufzeit. Wahre melancholische Schönheit kam im empfindsamen Gesang des Mittelsatzes zum Vorschein, bevor der Schlusssatz attacca zu einem bravourösen, überaus intensiven Finale führte. Lang anhaltende Ovationen, doch keine Zugabe.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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