Konzert:Klänge für die Ewigkeit

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Der Chor prägt mit Birgit Henke das Konzert in der Erlöserkirche. (Foto: Nila Thiel)

Eindrucksvolle Darbietung in der Erlöserkirche Herrsching

Von Reinhard Palmer, Herrsching

Ewigkeitssonntag klingt hoffnungsvoller als Totensonntag. Dennoch: Dieser letzte Sonntag im Kirchenjahr gehört den letzten Dingen. Was für Katholiken Allerheiligen und Allerseelen ist, dient den Protestanten der Ewigkeitssonntag: dem Gedenken der Toten. Und dies geht auch musikalisch - gerade mit Samuel Barber, dessen "Adagio for strings" als schönstes Trauerstück in der Musikgeschichte gilt. Er bearbeitete es 1967 zu einem "Agnus Dei" für achtstimmigen Chor und Klavier- oder Orgelbegleitung, das hier in der Erlöserkirche in Herrsching mit dem Redemption String5tett wieder näher an den Ursprung (mit Streichquartett) heranrückte. Die musikalische Leiterin Birgit Henke hatte wieder einmal in der Wahl der Werke fürs Konzert am Samstag der Evangelischen Kantorei Herrsching in der Erlöserkirche ein gutes Händchen gezeigt.

Dass die Schubert-Messe in G D 167 hier mit kammermusikalischer Begleitung erklang, war allerdings keine Reduktion, sondern schlicht die erste Fassung. Die Möglichkeiten des 18-jährigen Schuberts waren wohl noch recht bescheiden, was aber keinesfalls für das Werk selbst gilt. Was Schubert mit einfachsten Mitteln wie liedhaften und ariosen Themen, wirkungsvollen Stimmverflechtungen oder auch dramaturgischen Verläufen gelungen war, demonstrierte die Kantorei mit stimmstarken Solisten - Cordula Schuster (Sopran), Alexander Bassermann (Tenor) und Wolfgang Schmidt (Bass) - als straffes, doch überaus romantisches Werk von nah am Text changierendem Kolorit. Der Liedkomponist Schubert verstand es schon in jungen Jahren, für Wortinhalte musikalische Ausdrucksformen zu finden. Wie hier die Solo- bis Terzett-Sätze mit dem Chor verwoben wurden, nahm geradezu opernhafte Züge an, mit Effekten, die unter die Haut gingen.

Im Grunde liegen zwischen Schubert und dem in den USA lebenden Norweger Ola Gjeilo (geb. 1978) Welten. Dieses Dilemma löste Henke mit instrumentalen Stücken, die durch starke Charaktere geschickt überleitende Zäsuren setzten. Das von Bettina Kühner-Wehn (Violoncello) und Christa Edelhoff-Weyde (Klavier) interpretierte "Spiegel im Spiegel" des estnischen Komponisten Arvo Pärt (geb. 1935) ist ein meditatives Werk von ergreifender Schönheit. Man will sich nicht vorstellen, dass hinter der Vollkommenheit dieser Seelenmassage eine rationale Spiegelungssystematik steckt. Auch Saties "Gymnopédies" (hier Nr. 1 und 3), im Konzert vom Streichquintett zum Klingen gebracht, bestach mit Schlichtheit, damit umso größerer Eindringlichkeit und nostalgischer Melodik (Ferenc Kölcze, Violine). Gjeilos achtstimmige Chorsätze mit Klavier- und Streichquintett-Begleitung sowie einer überhöhenden Sopran-Solostimme verweisen auf die Filmmusiken imposanter Kino-Epen US-amerikanischer Komponisten, bekennen sich aber auch zu symphonisch-hymnischen Elegien nordischer Provenienz. "Dark Night of the Soul" von 2010 schöpfte seine Kraft von der Gegenüberstellung eines instrumentalen Grooves mit sentimentaler Melodik in weiten Bögen des einfühlsam kolorierenden Chores. Aber dann gab es die großen Höhepunkte in alles flutenden Klangströmen, die imposant aufgebaut plötzlich versickerten, um einem stillen Nachklang Raum zu bieten. Ähnliches galt auch "Luminous Night of the Soul" von 2011, das seinen Vorwärtsdrang aus präzis deklamiertem Gesang schöpfte. Ausgangspunkt beider Kompositionen waren lange Haltetöne, aus denen sich eine prägnante Mehrstimmigkeit entwickelte. Henke arbeitete trotz Komplexität einen dramaturgischen Bogen heraus, der im Grunde von Anfang an schon das große, strahlende Finale anpeilte. Diese effektvolle Arbeit weckte euphorische Publikumsreaktionen.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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