Konzert:In der Kürze liegt die Würze

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Optisch wirkt es, als spielten Rudens Turku (li.) und Wen-Sinn Yang auf einem Steg am See. Tatsächlich ist die Holzkonstruktion Teil des Museums Starnberger See und der Hintergrund ein Foto. (Foto: Nila Thiel)

Der Geiger und künstlerische Leiter der Starnberger Musiktage, Rudens Turku, und der Cellist Wen-Sinn Yang ziehen das Publikum beim Eröffnungskonzert im Museum Starnberger See auch unter Corona-Bedingungen in ihren Bann

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Zweifelsohne, es wären wunderbare Starnberger Musiktage zum 20. Jubiläum geworden. Geiger und künstlerischer Leiter dieses Festivals Rudens Turku sowie seit vielen Jahren sein Kammermusikpartner am Violoncello Wen-Sinn Yang hätten mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn das Doppelkonzert a-Moll von Brahms spielen sollen. Nach den Konzerten wären rund hundert Instrumentalschüler aus der ganzen Welt bei den Osterkursen erschienen. Wenige Tage vor Start kam dann der Corona-Shutdown. Aber Turku lässt sich nicht unterkriegen - und er scheut nicht davor, auch zu improvisieren, wenn die Umstände es verlangen. Kurzum: Aus der Not eine Tugend gemacht und flugs eine Benefiz-Tour organisiert. Die Räumlichkeiten sind nicht ideal, die Akustik meist bescheiden, das Programm musste kurz gehalten werden, um ohne Pause auszukommen. Aber das alles muss nicht gleich notdürftig ausfallen, wenn man kreative Ideen entwickelt und ein Repertoire zusammenstellt - und es Yang moderieren lässt -, das fesselnd genug ist, die Abstriche vergessen zu lassen. Im Eröffnungskonzert der Benefizserie im Museum Starnberger See in Starnberg gelang es jedenfalls überzeugend.

Im Grunde zwang schon diese instrumentale Duobesetzung dazu, Raritäten auszugraben. In historischer Tradition mussten nicht jeweils alle Sätze beziehungsweise alle Stücke einer Werkgruppe erklingen. Im Fall von Beethoven entsprach auch die Besetzung nicht der ursprünglich vorgesehenen. Seine drei Duos (WoO 27) schrieb er für Klarinette und Fagott, sofern sie überhaupt von ihm stammen. Aus dem ersten Duo in C-Dur interpretierten Turku und Yang das lyrisch-melancholische Larghetto sostenuto mit intensiver Leidenschaft sowie das Schlussrondo mit schwungvoller Verve. Die derben musikantischen Momente im letzteren überraschten, während sich die melancholische Eintrübung für Beethoven typisch erwies. Dennoch: Der Höhepunkt im Programm lag eher auf den ersten beiden Sätzen des Duos von 1925/26 von Erwin Schulhoff, wohl einem der größten Komponisten der Moderne, deren Leben und Wirken in Vernichtungslagern der Nazis ein jähes Ende fanden. Schon die Eröffnung des Kopfsatz-Moderatos mit seinem plastisch durchgeformten, sinnierenden Geflecht fesselte vom ersten Ton an und leitete zu einer Reise durch vielfältige Ausdrucksregionen der Musik ein. Eine brillante rhythmisch-tänzerische Passage wurde von einem überaus zart flötenden Zwischenspiel abgelöst, aus dem ein Neuaufbau bis zum wilden Poltern hervorging, um mit erneutem Flöten sinnierend zu verklingen. Mit einem so weiten Spektrum ging es in der Zingaresca (Allegro giocoso) weiter. Wuchtiges Musikantentum führte ein, spitzte sich zu, steigerte sich mit flötender Heiterkeit über ein leidenschaftliches Poltern zu einem vergnügten Tanz, um mit einem originellen Pizzicato-Finale zu entschwinden. Ereignisreicher kann Musik kaum sein, und Turku wie Yang spannten dieses Auf und Ab unter einen schlüssigen Bogen.

Zum Programmkonzept der beiden Musiker gehörte auch der Charakterwechsel. Für den vergnüglichen Part hatte schon zu Beginn Paganinis Duett Nr. 1 (aus zweisätzigen "3 Duetti concertanti") gestanden. Die Duette des Italieners sind auch deutlich konzertant angelegt und hier im ersten Satz mit viel Rossini-Belcanto durchsetzt. Der zweite Satz ist ein Scherzo mit einem ruhig-melodiösen Trio. Der heitere Teil begann mit einem galanten Tänzchen, um strahlend dahin zu wirbeln. Bravouröse Virtuosität hielt sich in Grenzen, fehlte aber nicht im Programm. Sie blieb Adrien-François Servais und seinen "Variations Brillantes Sur God Save The King" vorbehalten, einem Reigen packender Veränderungen über das majestätische Thema, die das Duo Turku und Yang längst schon auf CD gebannt hatte. Diesmal aber gespielt "mit einer gewissen Wehmut" als Beitrag zum Brexit, hob Yang hervor. Nach so einem Feuerwerk von Streichermusik kann im Grunde nichts mehr folgen. Aber die beiden Musiker vollzogen eine weitere Wendung, um eine überraschend ernste Zugabe nachzuschicken. Der deutsch-russisch-sowjetische Komponist Reinhold Glière schrieb für Violine und Violoncello "Acht Duos" op. 39, aus denen das eröffnende "Prélude" das Konzert beendete. Turku und Yang ließen es melancholisch, ja fast düster sprechen. Das expressive Auf und Ab dazwischen war für eine fesselnde Dramaturgie verantwortlich. Die Duette sind zwar Miniaturen, doch gehaltvoll gemäß dem Motto: In der Kürze liegt die Würze.

© SZ vom 29.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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