Konzert:Imposante Steigerung

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Packend: Chor und Orchester der Musica Starnberg beim Auftritt in der Kirche St. Maria. (Foto: Arlet Ulfers)

Chor und Orchester von Musica Starnberg mit Psalm-Vertonungen und Saint-Saëns' Orgelsinfonie

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Musica Starnberg hat ein treues Publikum. Es kommt zahlreich, auch wenn nicht gerade eines der großen Oratorien auf dem Programm steht und der Konzerttermin in der Starnberger Kirche St. Maria noch dazu auf den Volkstrauertag fällt. Ob nun mit Absicht oder rein zufällig: Mit den Komponisten Felix Mendelssohn, Benjamin Britten und Camille Saint-Saëns bewegte sich Ulli Schäfer als künstlerischer Leiter auf der sicheren Seite.

Inhaltlich schienen die Psalmenvertonungen auf den ersten Blick nichts mit dem Volkstrauertag zu tun zu haben. Doch Brittens Vertonung des Psalms 70 "Deus in adjutorium meum" aus der Bühnenmusik zu "This Way to the Tomb" von 1945 lässt sich philosophisch durchaus damit in Verbindung bringen. "Eile, Gott, mich zu erretten, Herr, mir zu helfen! Es müssen sich schämen und zu Schanden werden, die nach meiner Seele stehen", heißt es im 70. Psalm, dem "Hilferuf gegen Widersacher".

Musikalisch gesehen ist Brittens Chorsatz a cappella eine harmonisch komplexe Angelegenheit. Und daran kann ein Vokalensemble wachsen: Trotz der Chromatik und Modulationen des A-cappella-Satzes zeigte sich der Chor von Musica Starnberg absolut intonationssicher. In der straff rhythmisierten Ausführung legten die Choristen auch in Sprachdiktion, rhythmischer Exaktheit, klanglicher Differenzierung und vor allem gestalterischer Homogenität noch einmal mächtig nach.

Schon zuvor in Mendelssohns op. 78/1, der Vertonung des 2. Psalms "Warum toben die Heiden", überzeugte der Chor a cappella mit feinsinnig differenziertem Vortrag. Groß, strahlend und hymnisch setzte das Werk ein, um sogleich zurückzusinken. Mit der rhythmischen Präzision und Klarheit in der Pointierung brillierte der Chor genauso wie in den ausbalancierten, lyrischen Rücknahmen. "So lasset euch nun weisen, ihr Könige, und lasset euch züchtigen, ihr Richter auf Erden!", heißt es nach wie vor aktuell darin.

Mit der Vertonung des poetischen Textes "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir" des 42. Psalms für Chor, Orchester und Solistin (die Sopranistin Roswitha Schmelzl) stand am Ende des Vokalblocks eine imposante Kantate an, der Höhepunkt des Abends. Schäfer war es gelungen, gestalterisch einen roten Faden reinzubringen. Schmelzl vermochte ihren Part mit warmem Timbre in eine starke Wechselwirkung zu Chor und Orchester zu bringen, ganz auf die Atmosphäre und fast romantische Schönharmonik fokussiert. Auch der Gesamtbogen ging auf und kulminierte nach allmählicher Straffung und Verdichtung in großer Chorsinfonik mit nachhaltiger Wirkung.

Das letzte Wort gehörte aber dem Musica-Orchester alleine - mit einem nicht minder reichhaltigen Werk: Die Sinfonie c-Moll op. 78, die Orgelsinfonie, mit dem Orgel-Grandseigneur Max Frey auf der Empore, sah Saint-Saëns nicht zu Unrecht als sein größtes Werk an. Was Klangfarbigkeit, Stimmungen, harmonische wie rhythmische Mittel und vor allem Ausdruckscharakteristika betrifft, schöpfte Saint-Saëns aus dem Vollen. Aber auch hier fand Schäfer am Pult nicht nur zu Klarheit und Transparenz, sondern auch zu einer ausgewogenen Balance zwischen Mittel und Wirkung, um das Werk nicht zu überfrachten und dennoch dessen innere Dramaturgie effektiv in Szene zu setzen. In weit ausschwingenden Wogen folgte das Orchester auch zwischen großen sinfonischen Steigerungen in packender Klangfülle und lyrisch berührenden Rücknahmen ohne Substanzverlust Schäfers Aufbau einfühlsam. Der imposante Schluss mit flutendem Orgelklang und Tutti-Orchester verfehlte seine Wirkung nicht. Frenetischer Applaus.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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