Konzert:Heiter bis wehmütig

Lesezeit: 1 min

Das Münchner Kammerorchester bringt im Dießener Augustinum sein Weihnachtskonzert zur Aufführung. (Foto: Nila Thiel)

Das Münchener Kammerorchester begibt sich im Dießener Augustinum auf musikalische Berg- und Talfahrt

Von Reinhard Palmer, Dießen

Ein Orchester, dass es schafft, eine solche musikalische Berg- und Talfahrt diagonal durch die Musikgeschichte stimmig unter einen Hut zu bringen, braucht schon herausragende Qualitäten. Das renommierte Münchener Kammerorchester traute sich das zu und kam damit gut an im ordentlich gefüllten Theatersaal des Dießener Augustinums, das damit die Feierlichkeiten seines 50-jährigen Bestehens fulminant abschloss.

Mit Strawinskys Concerto in D von 1946 zündete das Kammerorchester hier unter der Leitung seines Konzertmeisters Daniel Giglberger das Jubiläumsfeuerwerk gleich zu Beginn, so voller Spannung und Energie, dass Giglberger gleich im ersten Satz eine Saite riss. Dieses bisweilen burlesk überzeichnete Vivace sollte in der Angriffsfreude aber nicht mehr überboten werden, denn im Programm interessierten vielmehr die neoklassizistischen Elemente des Concerto grosso, in dem Strawinsky im Mittelsatz eine geradezu nächtlich-magische Tanzszene unterbrachte. Diese dort unentwegt anschwellenden Anläufe, das Thema in Gänze auszuspielen, wurden zwar wie vorgesehen nicht erfüllt, doch die Art, wie das Orchester einhellig und homogen die Phrasen immer wieder absterben ließ, hatte schon einen besonderen Reiz.

Die historischen Rückgriffe, wie bei Strawinsky zum Barock, waren hier weitgehend Programm. Benjamin Britten griff mit seinen "Lachrymae" op. 48a von 1948, orchestriert 1976, aufs Material von John Dowland zurück. Seine "Reflections" darüber, vom Solobratschisten des Orchesters Xandi van Dijk geleitet, machten deutlich, dass es im Programm weiterhin um Einfühlungsvermögen und reiche Farbigkeit gehen sollte. Letzteres aber keinesfalls in schrillen Tönen, sondern vielmehr in feinsinnig changierenden Nuancen, zumal mit einem Solopart, den van Dijk nur hauchdünn über die Orchestersubstanz mit ausgeprägtem Sinn für Atmosphäre emporhob. Dem Lied "If my complaints could passions move" von Dowland in einer Streichquartettfassung voranzustellen war schon sehr geschickt, um die Hörempfindsamkeit auf die englische Renaissance zu eichen. Das Münchener Kammerorchester nutzte jede Gelegenheit, seinen warmtemperierten Klang in wohlig austarierter Balance zu demonstrieren. Die Dramaturgie des Empfindsamen und farblich Blühenden setzte sich fort. Dass im Höhepunkt des Abends dann die Streicherserenade E-Dur op. 22 von Dvořák stand, war geradezu folgerichtig. Zwischen Seligkeit, charmanter Heiterkeit, böhmisch-tänzerischer Folkloristik, spritziger Leichtigkeit, dann aber auch wehmütiger Traurigkeit und kraftvoller Dramatik durchwanderte das Orchester viele Gefühlsregionen, die Musik erreichen kann. Extrem kontrastreich noch einmal im Finale, dem ein lang anhaltender Applaus folgen musste. Entfesselt und mitreißend belohnt: Präludium zu "Aus Holbergs Zeit" von Grieg.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: