Konzert:Französische Sinnenfreuden

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Entzücken ihre Zuhörer in Feldafing (v.li.): Andrej Bielow (Violine), Kit Armstrong (Klavier) und Adrian Brendel (Violoncello). (Foto: Georgine Treybal)

Das renommierte Trio Andrej Bielow, Adrian Brendel und Kit Armstrong begeistert bei den Feldafinger Musiktagen mit vernachlässigten Raritäten der Klassik und hingebungsvollem Spiel

Von Reinhard Palmer, Feldafing

Die Musiktage Feldafing sind wohl das einzige erfolgreiche Klassik-Festival ohne eigenen Internetauftritt. Für die Nachbarschaftshilfe Feldafing scheut Macher Axel Spring allerdings keine Mühe, die Werbetrommel persönlich zu rühren. Meistens ist dann das Interesse so groß, dass die Peter-und-Paul-Kirche doppelt so groß sein müsste, um allen Interessenten Platz zu bieten. In diesem Konzert der diesjährigen fünften Festivalausgabe war ein solcher Andrang zu erwarten, stand doch das renommierte Trio Andrej Bielow (Violine), Adrian Brendel (Violoncello) und Kit Armstrong (Klavier) auf dem Programm. Das bedeutete nicht nur ein gut aufeinander abgestimmtes Ensemblespiel, sondern drei Spitzenmusiker, die für ein üppiges, dennoch leicht verdauliches musikalisches Mahl sorgten. Es ging hier schlicht um hingebungs- und lustvolles Musizieren sowie ein Schöpfen aus dem Vollen der musikalischen Sinnenfreuden.

Das Repertoire des Programms zählte schon eher zu den Raritäten, zumal es die hierzulande vernachlässigte französische Schule zum Thema hatte. Und diese kennzeichnet vor allem reiche Farbigkeit nicht nur in der Harmonik, sondern auch in der klanglichen Ausprägung - zudem nicht nur bei den Impressionisten im Programm, Debussy und Ravel. Es ist zweifelsohne eine Eigenart der französischen Musik, die sich früh ausbildete und in Rameaus Nr. 5 RCT 11 aus "Pièces de Clavecin" mit begleitenden Streichern schon deutlich ausgeprägt erklang.

Ob nun in den vitaleren Rahmensätzen oder im einfühlsamen Mittelsatz: Der Klavierpart ist durchgehend virtuos ausgestaltet und bot Armstrong Gelegenheit, seine perlende Pianistik zu demonstrieren. Im Mittelsatz mit zartem Leggiero zogen zu dem die Streicher wehmütige Linien. Der spritzig leichte Schlusssatz beeindruckte vor allem mit tänzerischem Impetus. Bei Widor erklangen diese Ausprägungen noch deutlicher: Als einer der wichtigsten Vertreter der französischen Orgelsinfonik verstand er es, mit großer Klangsubstanz umzugehen, selbst wenn es sich hier "nur" um die Sonate für Violoncello und Klavier A-Dur op. 80 von 1907 handelte. Armstrong und Brendel erzeugten plastische Klangmasse, die sie treffsicher ausformten - mal zu leidenschaftlichen Melancholie, mal zu sinnierender Einfühlsamkeit, dann aber auch zu tänzerischem Witz oder üppig flutender Dichte. Während die düstere Vision des Mittelsatzes romantisch verklang, bedachte Widor seine Rahmensätze mit triumphaler Fülle bis hin zu sinfonischer Größe im Finale.

Die Sonate für Violine und Klavier war ein Spätwerk von Debussy in g-Moll. Ein letztes Aufbäumen des Komponisten gegen die österreichisch-deutsche Dominanz im Konzertbetrieb. In der Tradition von Rameau und Couperin spannten Bielow und Armstrong den Bogen zwischen zarter Klangspur und Leidenschaft schon im Kopfsatz mit einem triumphalen Höhepunkt. Trotz der großen Effekte lag die besondere Qualität des Duos im feinsinnigen Changieren und in gewandter Wendigkeit zwischen den vielfältigen Stimmungen.

Die französisch-klangsinnliche Tradition äußerte sich im "Orpheus" auf besondere Weise: Die symphonische Dichtung von Liszt hatte Camille Saint Saëns für ein Klaviertrio arrangiert und dabei eine Spur nach Frankreich gelegt im Hinblick auf die narrative, imaginative Ausprägung der Musik, die mit feinsinniger Klangformung die Bildung von Atmosphäre fokussierte. Während das Trio den antiken Mythos "Orpheus" zum Hörkino machte, ging es im Klaviertrio a-Moll aus dem Kriegsjahr 1914 von Ravel um reichhaltige absolute Musik.

In der Intensität des Werkes schöpften die drei Musiker daraus unterschiedliche Ausprägungen: Im Kopfsatz fanden sie ein breites Ausdrucksspektrum mit sentimental-elegischer Grundstimmung in einer wellenförmigen Entwicklung. Nach dem brodelnd-drängenden Mittelsatz leitete ein dunkles Sinnieren ein nahezu sinfonisches Finale von großer Leidenschaft ein. In weiten Wogen zwischen Spannungsmomenten und beschwingter Spiellust steigerte das Trio das emotionale Auf und Ab bis zu einer ausladenden wilden Stretta, die nur eine Konsequenz haben konnte: frenetischer Beifall des Publikums.

© SZ vom 26.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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