Konzert:Exotik mit Doppelrohrblattinstrument

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Bekanntes und weniger Bekanntes gehört zum Oboen-Repertoire von Christoph Hartmann und Dominik Wollweber und Andrés Fernández Pérez. (Foto: Nila Thiel)

Das Berliner Oboentrio setzt in Tutzing Beethoven und kaum bekannte Werke von Spezialisten in Szene

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Es war schon fast rührend, mit welcher Begeisterung sich Christoph Hartmann in seiner Rolle als Moderater bemühte, die Größen der Oboengeschichte anzupreisen. Mit Namen, die den meisten im Konzertsaal der Evangelischen Akademie Tutzing wohl wie die der sprichwörtlichen böhmischen Dörfer vorkamen. Damit führte Hartmann nebenbei vor Augen, wie unser scheinbar so reichhaltiger Konzertbetrieb nach Popularität selektiert und damit nur den wirtschaftlich am besten verwertbaren Teil der E-Musik fördert. Ein Hoch also auf die mutigen Veranstalter in der sogenannten Provinz, die wie die Musikfreunde Tutzing den Blick weiter über den Tellerrand wagen als die großstädtischen Musikvermarkter.

Das Oboentrio mit den zwei Berliner Philharmonikern Hartmann (Oboe) und Dominik Wollenweber (Englischhorn) sowie dem kurzfristig eingesprungen Andrés Fernández Pérez (Oboe) traten hier nicht nur mit exotischen Namen auf, obgleich selbst die Werke der großen Komponisten im Programm gewiss als Raritäten durchgehen können. So etwa die Sonate für zwei Oboen Es-Dur von Wilhelm Friedemann Bach, die mit der fließenden Melancholie im Kopfsatz schon sehr an den großen Vater erinnert. Aber das Umeinandermäandern der Stimmen zeigt sich moderner, mit den hohen Lagen im sinnierenden Adagio-Duett in den Reibungen auch durchaus mutig. Die drei Sätze der Partita a-Moll BWV 1013 für Englischhorn von Johan Sebastian Bach lassen dennoch keine Zweifel an der überlegenen Genialität des Vaters. Dies zeigte sich vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Sätze, der Vollkommenheit der Proportionierung und die Anlage der Spannungsbögen, die Wollenweber mit schlüssiger Phrasierung straff hielt.

Wenn hier etwas besonders auffiel, war es die unterhaltsame Charakteristik der Besetzung, die etwas sehr frisches und vergnügtes, nicht zuletzt sinnenfreudiges an sich hat. Und das verstand auch Beethoven effektvoll in Szene zu setzen, zumal ihm seinerzeit als Interpreten die berühmten Gebrüder Teimer zur Verfügung standen. 1793 komponiert, ist das Trio C-Dur op. 87 ein relativ frühes Werk, das mit modulatorischer Fülle und exzellenter Durchführungstechnik die Spielfreude der Vortargenden schürt. Das Menuetto nahmen die Interpreten mit Spritzigkeit und legten den Satz im gebremsten Galopp als frühes Scherzo aus. Auch im vergnügten Presto-Schlusssatz ließen es die drei Musiker nicht an Spielwitz fehlen.

Die meisten kaum bekannten Werke von Spezialisten des Fachs Oboe setzten mehr auf den unterhaltsamen Wert. Das Trio C-Dur op. 38 von Franz Josef Moser (1880 bis 1939), einer Wiener Institution, bediente sich dabei konzertanter Möglichkeiten, wirkte allerdings auch stilistisch rückgewandt. Einem rasch wirbelnden Scherzo mit beschwingtem Trio folgte ein serenadenhaftes Andante. Schön nuanciert in der dramaturgischen Entwicklung geriet das Schlussrondo.

Weit reichhaltigere Gelegenheiten zu brillieren boten dem Trio die Variationen über ein Volkslied von Hans Hadamowsky (1906 bis 1995). Selbst Oboist und Pädagoge, dachte der Komponist hier wohl an die möglichst breitgefächerte Demonstration der Möglichkeiten des Doppelrohrblattinstruments. Das Berliner Oboentrio nutzte jedenfalls das Angebot, die Variationen über das thüringische Volkslied "Ach wie ist's möglich" als wirkungsvolle Charakterstücke im jeweiligen Ausdruck auf den Punkt zu bringen.

Weit anspruchs- und inhaltlich gehaltvoller waren zweifelsohne die drei "Meeresbilder für zwei Oboen und Englischhorn" von Dirk Michael Kirsch (geb. 1965), der die Instrumente nicht nur selbst beherrscht, sondern mit seiner musikalischen Vielseitigkeit auch formal aus dem Vollen schöpfte. Sein fahriges Scherzo ("Stürmischer Tag"), ein warmtonig melodiöses Notturno ("Boote im Mondschein" und das folkloristische Finale als "Allegro all' irlandese" offenbarten Kirsch als einen Meister, der lustvolle Wirkungen mit zeitgemäßen Kompositionsmodellen verbindet. In Tutzing wurden die Wollenwebers und Pérez Lang mit anhaltendem Applaus belohnt. Als Zugabe interpretierten sei ein opernhaftes Adagio von Gustav Vogt.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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