Konzert:Eskapaden am Flügel

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Pianist Martin Schmitt gibt in der Schlossberghalle sein Best-of-Programm und brilliert mit schrägem Humor

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Er sieht aus wie ein seriöser klassischer Pianist, wenn er im eleganten dunklen Anzug am Steinway-Flügel auf der Bühne sitzt. Doch der Eindruck täuscht. Während seine Finger leicht und lässig über die Tasten gleiten, plappert Martin Schmitt scheinbar harmlos vor sich hin, um dann plötzlich eine urkomische Geschichte mit schrägem Humor zu erzählen.

Spritzig, witzig und sympathisch stürzte sich Schmitt auf die Besucher in der nahezu ausverkauften Starnberger Schlossberghalle und zeigte in der Reihe "Brotzeit und Spiele" das Beste aus 30 Jahren Bühnenshow. Mit seiner Mischung aus eigenen Songs, Gedichten und Geschichten, klassischem Blues- und Boogie-Woogie lockte er das als relativ spröde geltende Starnberger Publikum schon nach wenigen Minuten aus der Reserve. Zwar schaffte es Schmitt nur bedingt, die Besucher zum Mitsingen zu bewegen. Aber mit Lausbubencharme, Temperament und virtuosem pianistischen Können brachte er immerhin das Kunststück fertig, aus den Zuhörern ein zögerliches Mitbrummen und Fingerschnippen herauszukitzeln.

Als "Da-iger" war Martin Schmitt von Veranstaltungsmanager Wolfgang Ramadan angekündigt worden, als "Lokalmatador". Doch Schmitt ist mehr. Seine Karriere begann in München, und in mehr als drei Jahrzehnten auf der Bühne hat er sich zu einem hochrangigen, anerkannten Boogie-Woogie-Pianisten hochgearbeitet. Der 51-Jährige wurde mehrmals ausgezeichnet, darunter mit dem Tassilo-Preis der SZ. Wenngleich man es Schmitt nicht unbedingt ansieht, ist er Bayer durch und durch. Er ist in Gräfelfing aufgewachsen und wohnt in Hechendorf. Schmitt redet bairisch, ist aber durchaus multilingual, zumindest wenn es um Dialekte geht. Ob österreichischer, Schweizer oder holländischer Akzent, Fränkisch oder Schwäbisch - bei seiner Geschichte von einer Zugfahrt durch Europa wird man überrollt von seinem Sprachtalent. Und "Sächsbomb", eine satirische Interpretation von Tom Jones' "Sex bomb" im sächsischen Dialekt, reißt das Publikum zu Lachsalven hin.

Der Humor des Musikkabarettisten ist schräg und zuweilen eindeutig-zweideutig. Manchmal bringt er nur harmlose, platte Blondinenwitze oder Gags über Österreicher, um urplötzlich mit messerscharfen Beobachtungen und Wortwitz zu überraschen. Politik ist nicht Schmitts Thema, bei ihm dreht sich alles um den Alltag, um Dinge, die jedem passieren können. Seine Anekdoten kann der Zuschauer nachvollziehen. Getarnt mit lockeren Sprüchen schildert er den immerwährenden, harten Streit seiner Großeltern, der in Form eines Wettbewerbs ausgetragen wird. Mit pantomimischem Können liest er die chinesische Gebrauchsanweisung einer Weihnachtskerze vor, die offenbar per Computersoftware ins Deutsche übersetzt wurde, um dann vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen und zum Beispiel seine Erfahrungen am Pissoir zu schildern ("etwas, das Frauen wohl nie nachempfinden können"). In dem Song "Ich würde gerne rückwärts leben" stirbt er zuerst, dann steigt er aus dem Sarg ("für meine Erben ist das arg") und durchlebt alle Stationen bis er am Ende wieder zum Kind wird, fast wie im Film "Der seltsame Fall des Benjamin Button". Zwischen seinen Gags präsentiert der Pianist Interpretationen von Jerry Lee Lewis oder Chuck Berry. Mit geradezu artistischem Körpereinsatz hämmert er auf den Flügel ein, während er dem Publikum Grimassen schneidet. Es hält ihn nicht auf dem Klavierstuhl. Er hüpft auf und ab und wippt mit den Füßen. Unter tosendem Applaus nimmt er das Mikrofon in die Hand, hebt beide Füße hoch, um schwungvoll aufzustehen und zur nächsten Nummer überzuleiten. Am Ende bogen sich die Zuschauer vor Lachen.

Das Abo "Brotzeit und Spiele" für das kommende Jahr ist bereits ausverkauft.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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