Konzert:Bossa mit Wellengang

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Lässig und beschwingt: Tom Reinbrecht (links) und Paulo Alves bei ihrem Auftritt auf dem Schiffsdeck. (Foto: Georgine Treybal)

Das Duo Paulo Alves und Tom Reinbrecht auf dem Museumsschiff Tutzing

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Die alte Tutzing schaukelt wieder ihre Konzert- und Kabarettbesucher im Wellengang. Dieses Jahr bevorzugt zu karibischen und südamerikanischen Rhythmen, die wunderbar aufs Deck des Museumsschiffs passen. Diesmal nicht gerade bei karibischem Wetter, aber für die brasilianischen Klimalagen durchaus adäquat, hat das Land doch viele Klimavarianten zu bieten. Die Musik, die allgemein als die brasilianische bekannt ist, hat allerdings eher die bleierne Schwere der Tropen im Blut, zugleich die tänzerische Leichtigkeit des Carnaval, den Hüftschwung vom Strand der Copacabana, die lethargische Melancholie der Liebestrunkenheit und die Sentimentalität ewig einsamer Herzen. Warum auch immer.

Aber so eng nahm es das Duo gar nicht. Daher war es auch ganz gleich, ob dem Weißwurstfrühstück ein südtirolerischer Hugo oder ein kubanischer Mojito folgte. In Holland geboren und in der Heimat seiner Eltern Portugal aufgewachsen, erteilte der musikalische Wahlbrasilianer Paulo Alves schließlich diesem Mix schon mit seiner Vita die Absolution. Zusammen mit dem Saxophonisten Tom Reinbrecht interpretiert er meist längst populäre Stücke von Komponisten wie Caetano Veloso, Ivan Lins, Tom Jobim, Djavan, Michael Franks, Sting oder den Beatles, allerdings stets auf eigene Weise mit einer Portion melodiöser Beschwingtheit in der vorgegebenen oder auch hinzugedichteten Rhythmisierung.

Die Transparenz des Vortrags im schlanken Duo verstärkte im Grunde die charakteristische Wirkung, denn die brasilianische Musik hat etwas ätherisch Flüchtiges und Durchscheinendes an sich. Wenn Alves auf seiner schicken halbakustischen Gitarre den rhythmischen Teppich ausbreitete und den Gesang darüber schweben ließ, zog Reinbrecht mit viel Fingerspitzengefühl sanfte melodiöse Kommentare durch den Hintergrund, sorgte für Farbigkeit und Atmosphäre, je nach Stück licht und verträumt auf dem Sopransaxophon oder mit warmer Tenorstimme.

Eine gewisse Monotonie gehört durchaus zu dieser feinsinnigen Musik. Doch ging es hier nicht um die Música popular brasileira in Reinform, denn die beiden Protagonisten der Matinee sind in erster Linie Jazzmusiker, die sich im Latin offenbar am wohlsten fühlen. Jedenfalls erwiesen sich Reinbrechts jazzig virtuose Soli meist als konkret und nachdrücklich, obgleich sich der Saxophonist spieltechnisch als überaus gewandt zeigte und nicht enden wollende Girlanden in die visionären Weiten der brasilianischen Musik schickte.

Als Rhythmusgruppe hat Paulo Alves in dieser Duo-Formation kaum Möglichkeiten, an der Gitarre zu improvisieren. Er begnügte sich daher mit Varianten der Begleitharmonien und mit leider recht seltenen Einlagen des Scat-Gesangs, der sich bisweilen an der brasilianischen Perkussion orientierte, daher mehr mit Klangvarianten denn mit Stimmakrobatik glänzte. So in Jobims berühmtem Song "The Girl from Ipanema", in dem die Musiker zwischendurch mal den tänzerischen Impetus hochdrehten.

Auch was die Rhythmik betraf, verstand es Alves zu differenzieren: von lyrisch-weich bis funky-scharf. Ein Detail, das meist auch darüber entschied, ob die Melodik der Oberstimme in langen Phrasen dahinfloss oder eben schmissig daherkam und wie aus dem Bauch heraus hingeworfen. Letzteres ermöglichte beispielsweise im Hit "Mais que nada" von Jorge Ben Jor ein packendes Spiel mit den Silben, im "Oriá raiô Obá obá obá" dann in abstrahierter Form umso klarer pointiert. Solche Kontraste machten das Programm spannender, vor allem aber gaben sie die Möglichkeit, die wunderbar lyrisch-beschwingten Songs in ihrer Wirkung zu steigern. Unschlagbar darin: "Manhã de Carnaval" (aus "Orfeu Negro") von Luiz Bonfá.

Die meisten Songs waren Bossa Novas, sie machten auch die zauberhafte, lässig-leichte Beschwingtheit dieser Matinee aus. In ihrer Heiterkeit begeisterten sie am meisten, wie etwa Jobims "Chega de Saudade" (Genug der Sehnsucht), was teilweise auch zum Programm wurde. Vor allem in der Zugabe mit "Don't worry, be happy" mit einem überzeugenden und begeisterten Publikumschor.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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